Rezension

Diese Rezension enthält Spoiler. Klicken, um alle Spoiler auf dieser Seite lesbar zu schalten.

Hitchcock-artiges Spiel mit der Angst

Phobia - Wulf Dorn

Phobia
von Wulf Dorn

Bewertet mit 4 Sternen

Die Welt der unter Angstzuständen leidenden Sarah Bridgewater droht aus den Fugen zu geraten: Wer sich da abends am Kühlschrank bedient und ungezwungen mit ihr plaudert, verhält sich wie ihr Gatte, verfügt über all dessen Wissen, doch er ist es nicht! Hat sich jemand Stephen Bridgewaters Identität angeeignet? Wurde er Opfer eines Verbrechens? Oder liegt es an Sarah selbst, kann sie ihrer Wahrnehmung nicht mehr vertrauen, versagt ihr Verstand? Gemeinsam mit ihrem Sohn sucht sie Zuflucht bei einer Freundin und bittet ihren alten Schulfreund, den Psychologen Mark Behrendt um Hilfe. Dieser, seit den Ereignissen des Romans "Trigger" selbst mit seiner Vergangenheit hadernd, begibt sich mit ihr auf die Suche und deckt dabei menschliche Schicksale auf, für die Kategorien wie Gut und Böse nicht mehr greifen ...

Wie der Titel vermuten läßt, behandelt der Roman als zentrales Motiv die Angst. Dabei gibt er sich nicht mit einer klar zu umreißenden Furcht vor gnadenlosen Serienmördern zufrieden (wie sie derzeit zuhauf in den Bücherregalen meucheln), sondern stellt gezielt die Frage nach einer noch intensiveren. Fündig wird er dabei mit der Urangst vor der Verletzung des Privaten, des Konkons, in den wir uns vertrauensvoll hüllen. Die häusliche Sicherheit in "Phobia" wird durch die Aushebelung der Alarmanlage kompromittiert, die Protagonistin ist dem Eindringling hilflos ausgeliefert. Wulf Dorn thematisiert das Hinausgeworfensein in eine kalte, unwirtliche Welt ohne Möglichkeit zum Rückzug. Es ist die Angst, das eigene Leben nicht mehr zu beherrschen, nur mehr passiver Passagier in einem fremdgesteuerten Vehikel zu sein.

Indem der Roman die Figur Mark Berendt aus Dorns Debütroman "Trigger" aufgreift, versteht er sich implizit auch als dessen Nachfolger. Und angesichts der erzählerischen Achterbahnfahrt, die dem Leser dort geboten wird, gestalten sich auch die Erwartungen an "Phobia" ähnlich. Anhand der Ausgangssituation - ein wildfremder Mann mit entstelltem Gesicht gibt sich als fürsorglicher Familienvater aus - freut sich der Leser darauf, von Wulf Dorn wieder genüßlich in die Irre geführt zu werden. Vielleicht ist sich wie in Arno Strobels "Der Trakt" eine Figur ihrer Erinnerung nicht mehr sicher, vielleicht leidet sie ja wie in S. J. Watsons "Before I Go To Sleep" unter Amnesie... Ja, auch diesmal hält Dorn eine Überraschung bereit, die jedoch darin besteht, eben keine Überraschung im genannten Stil zu bieten. Vielmehr vermeidet er diesmal das Spiel mit Wirklichkeit und Wahrnehmung und setzt dafür ganz auf ein anderes Motiv, nämlich die Angst. Die Was-wäre-wenn-Fragen nach der eigenen Verletzbarkeit schälen sich jedoch nur undeutlich aus der Geschichte heraus, verbleiben im akademischen. Von der Infragestellung des sicher geglaubten Familienidylls fühlt sich der Leser letztendlich zu wenig betroffen, um die Furcht tatsächlich bis in die eigenen Knochen kriechen zu spüren. Auch Sarah Bridgewaters psychische Erkrankung wird zu selbstverständlich als vorgegebener Startpunkt der Geschichte präsentiert, hier hätte der Leser anhand konkreter Beispiele, anhand von Alltagssituationen stärker an die Figur gebunden werden können.

Ein kleines Gustostückerl im Spiel mit der Wirklichkeit der Erzählung leistet sich der Autor allerdings doch: Augenzwinkernd greift er die aktuelle Vorliebe vieler schreibender Kollegen im Thriller-Genre auf und grenzt sich davon ab. Eine Nebenfigur in "Phobia" hegt nämlich eine Vorliebe für bluttriefende Romane mit Titeln wie "Der Mädchentöter" oder "Die Blutrache des Schlächters". Indem er derartige Geschichten als fiktiv etikettiert, nimmt er für sich in Anspruch, selbst subtiler zu agiern und unterstreicht zudem die relative Wirklichkeit seiner Erzählung.

Fazit:
Leider etwas zu lange an der Oberfläche verbleibend, setzt sich Wulf Dorn mit menschlichen Urängsten auseinander. Nichtsdestotrotz bringt es Wulf Dorn jedoch einmal mehr zustande, Spannung aufzubauen, zu erhalten und somit den Schlafzyklus des Lesers empfindlich zu gefährden.