Rezension

Vernachlässigung überleben

Die Überlebenden -

Die Überlebenden
von Alex Schulman

Bewertet mit 5 Sternen

Benjamin und seine beiden Brüder hatten eine schwierige Kindheit, die insbesondere von einer Mutter dominiert war, deren Stimmungen wechselten wie das Wetter und oft von Aggression geprägt waren. Nun ist ihre Mutter verstorben und sie kehren gemeinsam zum Sommerhaus der Familie zurück, welches sie seit langer Zeit nicht mehr besucht haben. Doch sie möchten nun den letzten Willen ihrer Mutter erfüllen und dort ihre Asche am See verstreuen. Und nicht zuletzt auch endlich über den schicksalhaften Vorfall reden, der sie über Jahre voneinander distanziert hat. 

„Die Überlebenden“ ist ein sehr exzellent gelungenes Romandebüt von Alex Schumann. Mit nahezu poetischem sowie flüssigen und leichtem Schreibstil erzählt er eindringlich eine erschreckende Geschichte, die noch lange nachhallt. Ein unglaublich geschickter Aufbau des Romans mit zwei gegenläufigen Handlungssträngen der Vergangenheit und Gegenwart, die sich in kurzen Kapiteln abwechseln, halten den Leser in Spannung. Obwohl die Themen von Gewalt, Aggression und Vernachlässigung handeln und traurig stimmen, war ich so gefesselt an das Buch wie schon lange nicht mehr. Von Beginn an empfand ich eine beklemmende Atmosphäre, in der ich wie die Söhne auf die Stimmung und Explosionen der Eltern lauerte. Gleichzeitig werden bezaubernde Naturbeschreibungen und Vergleiche eingestreut, die das Leserherz erfreuen. Leider konnte ich diese ob der deprimierenden Thematik nicht vollends genießen. Der Inhalt regt zu lebhaften Diskussionen an und bleibt noch lange im Gedächtnis. Der schicksalhafte Vorfall wird erst zum Ende hin aufgelöst und beinhaltet einen raffinierten Kniff, den ich überhaupt nicht erwartet habe. Ich war gleichzeitig schockiert und überrascht – in intensives und emotionales Leseerlebnis. 

Der Roman war für mich in jeglicher Hinsicht atem(be)raubend – einerseits, weil er so unfassbar großartig aufgebaut und geschrieben ist und andererseits, weil er unglaublich traurig und bedrückend ist. Für mich eine echte Entdeckung und eines der Highlights aus 2021!