Rezension

Emotionaler Debütroman!

Die Überlebenden -

Die Überlebenden
von Alex Schulman

Bewegende Familiengeschichte mit überraschender Auflösung

Die drei Brüder Benjamin, Pierre und Nils verbringen die Sommer ihrer Kindheit an einem vermeintlich idyllischen See in einem typischen schwedischen Holzhaus. Doch als Erwachsene haben sie seit Jahrzehnten keinen Kontakt mehr zueinander und sich komplett entfremdet. Erst die Beisetzung der Mutter bringt die drei wieder zusammen. So begeben sie sich nun mit der Urne der Mutter 20 Jahre später zurück an den Ort, an dem sie in der Kindheit viele Sommer verbracht haben. Was ist damals genau passiert? 

Besonders gut hat mir der Aufbau des Buches in die zwei gegensätzlich zusammenlaufenden Erzählstränge gefallen. Auf der einen Seite erhält der Leser Einblicke in den einen Tag, an dem sich die Brüder nach langer Zeit wiedersehen, welcher rückwärts und in 2-stündlichen Abständen detailliert in mehreren Kapiteln erzählt wird. Auf der anderen Seite erleben wir verschiedene Rückblenden in die Vergangenheit, in denen zahlreiche Erinnerungen bzw. Vorkommnisse aus den vielen Sommern am See dargestellt werden, durch die sich ein immer stimmigeres und bedrückenderes Gesamtbild der Familie ergibt. Dadurch gerät man in einen Sog, der einen nicht loslässt und komplett fesselt. Die wundervollen Naturbeschreibungen des Autors sind ebenso gegensätzlich zu der Kälte der Eltern wie die scheinbare Idylle der schwedischen Abgeschiedenheit am See. Alex Schulman schafft es, Szenen so bildhaft zu beschreiben, dass man sie direkt vor Augen hat und sich diese stark einprägen. Man rätselt als Leser die ganze Zeit über, was den drei Brüdern in den Sommern der Vergangenheit im Ferienhaus am See passiert sein muss. Wie bei einem Puzzle setzen sich nach und nach weitere Details zusammen und es kommen immer mehr Eigenheiten der drei Brüder ans Licht. Vermeintlich idyllische Momente aus der Kindheit enden oft mit einem großen Knall, wodurch eine zunehmend belastende Stimmung erzeugt wird. Die Auflösung am Ende fand ich schockierend und zudem sehr gut umgesetzt. Es verleitet einen dazu, das Buch nochmals zu lesen für weitere Hinweise, die einem beim ersten Mal nicht direkt aufgefallen sind. Es ergibt alles einen Sinn und ist vollkommen schlüssig, auch wenn ich diese Variante nicht als mögliche Lösung auf dem Schirm hatte. Ich war komplett sprachlos und musste die Auflösung erstmal verdauen. Allerdings hätte ich mir noch tiefgründigere Einblicke gewünscht bzgl. der Eltern (insbesondere auf die bereits vor dem Vorfall vorhandenen Alkoholprobleme und die Vernachlässigung der Kinder sowie auch in Bezug auf die Vaterfigur – hier werden einige Andeutungen im Laufe der Geschichte gemacht, die aber letztendlich offen bleiben). 

Insgesamt bin ich von „Die Überlebenden“ sehr begeistert und empfehle das Buch auf jeden Fall weiter. Es ist nicht unbedingt ein Wohlfühlbuch, aber es hat mich von Beginn an gefesselt, mit seiner melancholischen Atmosphäre sehr berührt und es wirkt noch lange nach. Insgesamt ein wirklich toller Debütroman, der sehr bewegend und aufwühlend ist. Meine Erwartungen wurden definitiv erfüllt. Seit langer Zeit hat kein anderes Buch so starke Emotionen in mir geweckt – von Mitleid über Wut, Entsetzen, Trauer und Hoffnung war alles dabei.