Rezension

Zwei Frauen in einer Küche ...

Wildtriebe
von Ute Mank

Bewertet mit 3.5 Sternen

Als Elisabeths Brüder im Zweiten Weltkrieg sterben, wird von ihr als Hoferbin erwartet, mit einer passenden Ehe die Fortführung des Bethches-Hofes in Hausen/Hessen zu sichern. Karl ist selbst Hoferbe, „heiratet ein“  und verzichtet aus Liebe zu „Lisbeth“ zugunsten seines jüngeren Bruders auf den elterlichen Hof. Bereits als der gemeinsame Sohn Konrad seinen Eltern Marlies vorstellt, scheint die junge Textilverkäuferin den Ansprüchen nicht zu genügen. Sie stammt zwar vom Land, aber nicht vom Bauernhof, und eine geschminkte und dauergewellte Frau hat der Bethches-Hof zuvor noch nicht zu Gesicht bekommen. Marlies willigt bedingungslos ein, mit Lisbeth und Karl in einen gemeinsamen Haushalt zu ziehen; denn sie hatte zuhause gelernt, es ihrer Mutter immer recht zu machen. Während es Karl gelingt, mit viel Geduld Veränderungen im elterlichen Betrieb durchzusetzen, bleibt Marlies unter Lisbeths Fuchtel das ewige Lehrmädchen ohne eigenen Verantwortungsbereich, das Lisbeths Ansprüchen nie genügen wird.   Für eine Bauerntochter ist Lisbeth verblüffend auf die Rolle der Ehefrau fixiert, man erlebt sie als Leser kaum in Fachgesprächen mit Mann und Sohn über die Zukunft des Hofs. Erst als Enkeltochter Joanna geboren wird und Marlies nach ein paar Jahren wieder in ihrem Beruf arbeitet, bessert sich das Verhältnis der beiden Frauen.  Marlies wagt jedoch keine größeren Schritte in die Selbstständigkeit aus Angst, Joanna dann an Lisbeth zu verlieren.

Marlies und Konrad sind in den 50er Jahren geboren. Als sie sich in den 70ern kennenlernen, befindet sich die Landwirtschaft in Deutschland unter der Knute einer Strukturkrise. Nicht jeder Bauer findet überhaupt eine Frau,  Knechte oder Landarbeiter sind ebenso rar, so dass der letzte Knecht Alfred auf dem Bethches-Hof als Symbol für eine aussterbende Welt stehen kann. In den 70ern brachten junge Bäuerinnen Vermögen mit in die Ehe, wollten auf dem Grundstück eine eigene Geschäftsidee verwirklichen oder bestanden auf einer eigenen Küche im Haus, die sie selbst bezahlten. Marlies tut nichts davon, sie erleidet die Situation und fühlt sich von Karl unverstanden, der das Problem zwischen Mutter und Ehefrau herunterspielt. Schließlich gefährdet das Aussitzen von Konflikten das wirtschaftliche Überleben des Hofs.

Als mit Joanna die dritte Frauengeneration  auf dem Hof erwachsen wird und nach dem Abitur nach Afrika reist, scheint die junge Frau fortgehen zu müssen, um zurückkehren zu können, etwas, das ihrem Vater ebenfalls gut gestanden hätte.

Mit Bauernkindern wie Konrad bin ich gemeinsam zur Schule gegangen. An deren Küchentischen wurden dieselben Probleme gewälzt  wie Ute Mank sie hier beschreibt. Wer übernimmt den Hof, wie lange können die Eltern noch mitarbeiten, können die Nachfolger den Hof wirklich allein bewirtschaften, welches zweite Standbein bringt die junge Bäuerin ein ... Im Roman habe ich viele vertraute Szenen erlebt, in den Details fein beobachtet. Den großen Küchentisch für 20 Personen, auf dem auch die Mahlzeiten für Großfamilien vorbereitet werden konnten, den Abschied vom letzten Knecht, die Sorgen in der Strukturkrise in Form von Butter- und Milchbergen in der EU. Ich habe mich allerdings gefragt, wo die Autorin  Lisbeths extrem starre Einstellungen aufgetan hat. Circa in den 30ern geboren, handelt sie, als hätte es die Kriegsjahre nicht gegeben, in denen Frauen allein mit jugendlichen Kindern die Höfe bewirtschafteten. Lisbeth wirkt auf mich wie eine 20 Jahre ältere Frau. Offenbar habe ich selbst nur die fortschrittlich denkenden Altbauersleute erlebt, die überzeugt davon waren, dass 2 Frauen in einer Küche Unglück ins Haus bringen.

Insgesamt ein atmosphärisch gelungener Roman, dessen Figuren ich in ihrer Unbeweglichkeit zu klischeehaft fand.