Rezension

Vom Traditionen wahren und seinen eigenen Weg gehen

Wildtriebe
von Ute Mank

Bewertet mit 3 Sternen

Großbäuerin Lisbeths ganzer Stolz ist ihr Hof, welcher nicht nur der größte im gesamten Dorf ist, sondern auch seit Generationen innerhalb der Familie weitergereicht wird. Seine Erhaltung, Ausbau und Bewirtschaftung stellen ihren Lebensinhalt dar. Als ihr Sohn Konrad sich allerdings mit der modernen Marlies verlobt, entsteht ein Generationenkonflikt. Denn Marlies möchte auch weiterhin im Kaufhaus arbeiten gehen, das Kinderkriegen auf unbestimmte Zeit verschieben und erst recht keine Bäuerin sein. Der Konflikt gärt jahrelang unterschwellig vor sich hin, denn klärende Gespräche und Konfrontationen gibt es nicht. Erst mit Enkelin Joanna entsteht eine – zerbrechliche – Familienkonstruktion. Als diese jedoch nach dem Abitur für 1 Jahr nach Afrika reist, sind Lisbeth und Marlies schwer enttäuscht und beginnen, die vergangenen Jahrzehnte zu reflektieren. 

„Wildtriebe“ ist ein Generationenroman, der darstellt, wie Frauen vor 50 Jahren bis heute unter dem Dach eines großen Bauernhofs gelebt haben. Die Geschichte wird wechselnd aus der Perspektive von Lisbeth und Schwiegertochter Marlies erzählt. Beide Protagonistinnen sind sehr gut ausgearbeitet und starke Frauen, die es im Leben nicht leicht haben und sich gegenseitig zusätzlich noch Steine in den Weg legen. Sehr realistisch und lebensnah wird das Leben und vor allem die Rolle der Frauen auf einem Bauernhof dargestellt. Insbesondere wie zäh das Ausbrechen aus traditionellen Strukturen für moderne Frauen wie Marlies gewesen sein muss. Wo für die meisten Frauen im heutigen Deutschland selbstverständlich ist, dass sie sich frei entscheiden können, wie sie ihre Zukunft angehen, muss Marlies sich jeden kleinen Schritt der Eigenbestimmung erkämpfen. Und sich nicht zuletzt auch vor allem gegen ihre Schwiegermutter behaupten. Die Thematik des Romans hat mir sehr gut gefallen, schnell kam ich als Leserin in der Geschichte an. Ich fand es sehr interessant, die verschiedenen Vorstellungen der einzelnen Generationen zu erfahren. Leider empfand ich den Erzählstil des Romans als eher langatmig und streckenweise zäh. Interessante Begebenheiten wurden über viele Seiten hinweg beschrieben, sodass ich oft das Gefühl hatte, ich käme kaum voran. Zudem bleiben viele Sätze unvollendet, was zwar zur Generation von Lisbeth passt, meinen Lesefluss aber sehr störte. Die Figuren handeln eher sehr egoistisch und versetzen sich nahezu kaum in die Lage der anderen Familienangehörigen. Auch klärende Gespräche finden überwiegend nicht statt, sodass ich mir oft gewünscht hätte, alle an einen Tisch zu bringen und offen miteinander zu reden. Als Leserin blieb ich insgesamt stille Beobachterin, die hin und wieder nur den Kopf schütteln konnte und keine Figur so richtig sympathisch fand. Das offene Ende und die bevorstehende Aussprache (zumindest von Lisbeth und Joanna) hingegen hat mir sehr gut gefallen und mich mit einem zuletzt doch positiven Ausblick aus dem Roman entlassen. 

Fazit: Trotz sehr interessanter Thematik und spannendem Geschichtsverlauf empfand ich das Lesen leider als eher zäh. Eine Identifikation mit einzelnen Figuren fand bei mir nicht statt. Das offene Ende und der authentisch wirkende Generationenkonflikt haben mir jedoch sehr gut gefallen.