Hinterließ ein beklemmendes Gefühl, ist aber dennoch ein lesenswerter Roman
Bewertet mit 3.5 Sternen
Das Buch Wildtriebe erzählt die Geschichte von Elisabeth, der Besitzerin eines Großbauernhofes und Marlies ihrer Schwiegertochter, die in einem kleinen Dorf in Hessen zusammen auf einem Hof wohnen. Die Arbeit auf dem Hof ist sehr anstrengend, aber noch nervenaufreibender sind die kleinen unausgesprochenen Kämpfe zwischen den beiden Frauen. Das Dorfleben ist geprägt von Dorftratsch und Konventionen. Das Leben einer Frau ist noch vorgezeichnet für ein Dasein am Herd, auf dem Hof und für die Kinder. Marlies jedoch verteidigt zäh ihre Unabhängigkeit, das Arbeiten im Kaufhaus, da sie die ausschließliche Bindung an den Hof vermeiden möchte. Streng gehütete Familiengeheimnisse spielen ebenfalls eine Rolle. Das Leben auf dem Hof bekommt durch die Geburt der Tochter von Marlies und ihrem Mann Konrad frischen Wind. Wird die kleine Joanna eine herzlichere Verbindung zwischen Elisabeth und Marlies herstellen können?
Der Schreibstil und die Sprache des Romans haben mir sehr gut gefallen und daher habe ich das Buch sehr schnell gelesen. Der Inhalt hat allerdings sehr ambivalente Gefühle bei mir hinterlassen. Insgesamt habe ich die Geschichte als sehr bedrückend und belastend empfunden, ganz besonders das erste Drittel des Buches. Es zieht sich eine Sprachlosigkeit durch das ganze Buch, die das Leben auf dem Hof in einen zähen Schleim einhüllt. Die alten Gepflogenheiten und eine strenge „Hofhierarchie“ verleiden Marlies das Leben auf dem Hof und lassen den Hof kaum zu einer Heimat für sie werden. Es ist Marlies nicht zu verdenken, dass sie als „Zugeheiratete“ außerhalb des Hofes ihre Selbstbestätigung sucht und erhält, da die Anerkennung und sogar nur die Akzeptanz von der Hoferbin und alten Bäuerin Elisabeth ausbleibt. Elisabeth ist stark in ihrer eigenen Zeit und in ihrem Standesdünkel gefangen.
Für mich sind nicht nur die Figuren brüchig, die ganze Erzählung weist so starke Ungereimtheiten auf, dass ich die Geschichte an vielen Stellen unglaubhaft finde. Allein, dass Konrads Geheimnis so lange, in einem Dorf mit regem Dorfklatsch, ihm nicht zugetragen wurde, ist verwunderlich. Auch die Entwicklung von Elisabeth im späteren Verlauf erscheint mir mehr als nur fraglich. Das Verhalten von Joanna zum Ende des Romans gegenüber ihrer Mutter wirkte so schroff und grob, auch das empfinde ich als nicht hineinpassend.
Trotz dieser Ungereimtheiten hat Ute Mank dennoch einen sehr gut gezeichneten Roman über das Funktionieren in einer Dorfgemeinschaft der 70er und 80er Jahre geschrieben. Außerdem wird sehr treffend die Entwicklung der Landwirtschaft ab den 1970er Jahren an Hand der Familiengeschichte verdeutlicht. Die bedrückende zwischenmenschliche Atmosphäre auf dem Hof ist ebenso gekonnt und sehr plastisch eingefangen worden.
Das Cover passt perfekt zum Buch. Auf der einen Seite wunderschön anzusehen und wenn man das Buch näher betrachtet und in die Hand nimmt, ist es rau und die Schrift wirkt kaputt. So ambivalent geht es mir mit dem ganzen Roman, daher fällt mir die Bewertung sehr schwer. Ich vergebe 3,5 Punkte, die ich aufrunde, da die Symbolik, die Ute Mank statt Worten in der Geschichte verwendet, wirklich einfallsreich ist (z. B. Seidentuch). Zudem finde ich das Nichtzugehörigkeitsgefühl und die Nichtverbundenheit zur Gemeinschaft und deren Auswirkungen außerordentlich gut verpackt und das sind immer wieder auch brandaktuelle Themen.