Spannung, Spiel und.......Gerechtigkeit?
Bewertet mit 4 Sternen
Es ist Heiligabend im Jahr 2028, zehn Menschen werden von bewaffneten Teams in ihren Häusern fest gesetzt, Personen die zwar kaum jemand kennt, die allerdings zu jenen gehören, die hinter den Kulissen von Wirtschaft und Politik die wahre Macht in den Händen halten. In einer spektakulär aufgezogenen Live-Show, die auf sämtlichen Fernsehsendern läuft, werden ihre Taten öffentlich angeprangert, das Publikum darf abstimmen, welche Art der Bestrafung auf jeden Einzelnen angewendet wird - echte Demokratie?
"Reality Show" von Anne Freytag ist ein Roman, der nur wenige Jahre in der Zukunft spielt, die Autorin zieht darin erschreckende Parallelen zur aktuellen politischen Entwicklung und spinnt den Faden noch ein gutes Stück weiter - wie lange wird es dauern, bis wir wirklich sehen, was vor unseren Augen geschieht? In der Geschichte ist der Rechtsruck, der durch Gesellschaft und Politik verläuft der Auslöser eines beispiellosen Plans, der über Jahre hinweg akribisch vorbereitet wird. Als Leser bekam ich zunächst die zehn Zielpersonen vorgestellt, auf wenigen Seiten werden sie in ihrem privaten Umfeld gezeigt, bis schließlich bewaffnete Teams eindringen, sie gefangen nehmen und auf ihren unfreiwilligen Auftritt in der Show vorbereiten. Erst danach habe ich in Rückblenden die Drahtzieher hinter der Reality Show kennen gelernt - in kleinen Häppchen, immer wieder wechselten die Szenen zwischen den verschiedenen Personen und auch zwischen Gegenwart und Vergangenheit.
Dieser Schreibstil hat dazu beigetragen, dass mich das Buch in seiner Gesamtheit an einen Actionfilm erinnert hat, die Spannung hat sich meiner Meinung nach konsequent durch die Handlung gezogen. Nahe gekommen bin ich den Figuren dabei nicht wirklich, selbst bei den drei Freunden, mit deren Idee alles begann und deren Abschnitte teilweise sogar in der Ich-Form verfasst waren, bin ich emotional unbeteiligter Zuschauer geblieben - ich kann mir gut vorstellen, dass genau das von der Autorin beabsichtigt war, wurde mein Focus dadurch doch verstärkt auf ihr Handeln und die Gründe dafür gelegt. Die Vielzahl der Personen hat mir beim Lesen höchste Konzentration abgefordert, dennoch hat mich das Leseerlebnis bis zur letzten Seite hin fasziniert.
Lediglich bei der Auflösung des Hintergrunds hat Anne Freytag für meinen Geschmack etwas zu tief in die "Wünsch dir was"-Kiste gegriffen, bis kurz vorher fand ich das fiktive Geschehen noch logisch und realitätsnahe, erst kurz vor dem Ende habe ich dann gezweifelt, ob ein Vorhaben dieser Größenordnung tatsächlich von so wenigen - wenn auch durchaus begabten - Menschen ausgeführt werden kann. Nichtsdestotrotz war ich während der gesamten Lesezeit gefesselt, die intelligent verpackte Gesellschaftskritik, der aus einer nächtlichen Diskussion geborene Plan und die rasanten Szenenwechsel mit der daraus entstehenden Spannung machen dieses Buch in meinen Augen zu einer recht einzigartigen Lektüre, für die ich gern eine Leseempfehlung ausspreche.
Fazit: So recht will dieser Roman in keine gängige Schublade passen, mich hat die Mischung aus Realitätsnähe und einem nahezu wahnwitzig anmutendem Plan fasziniert und bis zur letzten Seite hin gefesselt, so dass ich das spannende Leseerlebnis gern weiter empfehle.