Rezension

Anne Freytag - Reality Show

Reality Show -

Reality Show
von Anne Freytag

Bewertet mit 5 Sternen

Jahrelang haben sie geplant, nachdem aus der fixen Idee ein konkretes Vorhaben geworden ist. Jetzt ist es so weit. Heiligabend, die ganze Nation sitzt zu Hause vor dem Fernseher und wird ein nie dagewesenes Spektakel erleben. Showmaster Zachary Wiseman tritt vor die Kamera und eröffnet die „Reality Show“, die das Land für immer verändern wird und an der jeder teilhaben darf der will: als Richter und Henker. Denn in ihrer Gewalt befinden sich die einflussreichsten Menschen des Landes, nicht die Politiker, nein, sondern diejenigen, die Geld haben. Und damit Macht. Die im Verborgenen das Land lenken, täglich auf Kosten der Bevölkerung reicher werden und denen heute der Prozess gemacht wird.

 

Anne Freytag hat ihre „Reality Show“ an Ende der 2020er Jahre angesiedelt, als das Land von einer rechtsradikalen Partei geführt wird, deren Vorsitzender mit seinen Hunde-Krawatten gedanklich noch im vorherigen Jahrhundert und der dunkelsten Zeit Deutschland steckengeblieben ist. Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer und von der Politik ist nichts zu erwarten. Also macht sich eine WG auf, einen kühnen Plan umzusetzen und das Volk ist live dabei. Denkt es, denn wie so oft, das, was es zu sehen gibt, ist nur das Ablenkungsmanöver für einen viel größeren Plan.

 

Die prekäre soziale Lage des Landes, eine enttäuschte und desillusionierte Bevölkerung, das ist der Ausgangspunkt für einen unterhaltsamen Roman, der zahlreiche Anspielungen auf populäre Serien und Filme enthält, in denen moderne Robin Hoods sich gegen das ausbeuterische System stellen. Vieles erinnert auch eher an das Medium der bewegten Bilder, die kurzen Kapitel, die wie schnelle Schnitte zwischen Gegenwart und Vergangenheit springen und so nach und nach die Erklärungen für das liefern, was gerade über die Bildschirme des Landes flimmert. Das Tempo bleibt hierdurch hoch und die Protagonisten gewinnen langsam an Profil, auch wenn sie letztlich doch hinter die Handlung zurücktreten.

 

Obwohl viele bekannte Muster verwendet werden – die kleine Gruppe der Rebellen, die über die nötigen Finanzen und IT Wissen verfügt, um so einen Plan umzusetzen; der gute Zweck, der jegliche Mittel heiligt; das Feindbild der zurückgezogen lebenden Superreichen – unterhält der Roman bestens. Auch wenn die Figuren für meinen Geschmack insgesamt etwas zu blass bleiben, haben einige doch ihre Geheimnisse, die sich irgendwann offenbaren und für zusätzliche Spannungsmomente sorgen. Am meisten Spaß hatte ich tatsächlich an den Anspielungen und fand das Ende der Reality Show mit der Hommage an die Truman Show einen passenden Abschluss. Eine routiniert erzählte Geschichte, die es locker mit der Netflix und Co Konkurrenz aufnehmen kann.