Brot und Spiele
Bewertet mit 5 Sternen
Es ist Heiligabend. Die einflussreichsten und bedeutungsvollsten Menschen Deutschlands werden in ihren eigenen Heimen als Geiseln genommen. Vor laufenden Kameras sollen sie für ihre Vergehen bestraft werden. Die Richter sind die deutschen Zuschauer, die alles vor ihren Bildschirmen verfolgen. So wollen die Geiselnehmer das System stürzen und das Vermögen der Gefangenen neu verteilen.
Dieses Buch sollte unbedingt verfilmt werden, spannender könnte ein Abend vor dem Fernseher gar nicht werden.
Dabei muss man man sich am Anfang als Leser schon ein bisschen ins Zeug legen, um erst einmal eine Übersicht über die vielen Schauplätze zu erhalten. Das hat nämlich schon etwas von einem Dschungel: 10 verschiedene Häuser mit insgesamt 42 Geiseln, dann die Drahtzieher und Polizisten, aber auch einige Zuschauer werden in ihren Wohnungen gezeigt. Da kann man schon mal durcheinander kommen.
Die Wirtschaftsbosse die vom Publikum verurteilt werden sollen, könnten mitten aus der Realität stammen. Leider denkt sich die Autorin hier nichts aus. Es geht unter anderem um die Ausbeutung von Arbeitern in Billiglohnländer, um schwere Umweltverschmutzung, um das verhökern von vertraulichen Daten, ... Einige wenige scheffeln so Millionen.
Aber Anne Freytag zeigt auch, dass es nicht nur eine Wahrheit gibt, dass jede Medaille zwei Seiten hat.
Da es immer mal wieder Einblicke in die Wohnzimmer der Zuschauer gibt, erfährt man auch die Meinungen die die Leute haben. Das Publkum soll bei jedem Angeklagten die Schuldfrage per Klick/Fernbedienung klären. Schuldig oder nicht schuldig! Und ich finde es sehr glaubwürdig von der Autorin, wie sie die Leute hierbei reagieren lässt. Das die meisten auch in der Realität ohne nachzudenken sofort auf den Schuldig-Button drücken würden, ohne das eigene Verhalten in der jeweiligen Sache zu hinterfragen. Die meisten haben schnell ein Urteil getroffen.
Einen gewissen Moment wurde ich bei diesem Roman sehr an den Film "Ocean's Eleven" erinnert. Eine Gruppe Freunde plant über einen längeren Zeitraum zusammen ein Verbrechen. Dazu werden diverse Zeitsprünge eingesetzt wo gezeigt wird, wie alles seinen Anfang nahm, doch der Leser erfährt immer nur einen Teil der Planung. Bis zum Ende fragt man sich, wie die Freunde aus dieser Sache wieder herauskommen wollen, ohne in Handschellen zu landen.
Witzigerweise vergleicht die Autorin die Geschichte irgendwann selbst mit dem Film "Ocean's Eleven", aber aus einem anderen Grund. Aber da würde ich zuviel verraten.
Das Tempo der Geschichte ist meistens rasant. Durch die Wechsel zwischen den Schauplätzen wird ständig eine gewisse Spannung erzeugt. Oft passiert alles gleichzeitig, trotzdem gerät man nicht durcheinander.
Mir gefällt, dass durch die schwierigen Themen der Leser ständig zum Nachdenken angeregt wird. Wie würde man selbst entscheiden? Auf welchen der beiden Knöpfe würde man drücken? Und hat man selbst nicht auch ein wenig Schuld an der Gesamtsituation?