Rezension

Gute Literatur auf Distanz

Der perfekte Kreis -

Der perfekte Kreis
von Benjamin Myers

          Im heißen Sommer des Jahres 1989 treiben seltsame Kornkreise auf den Feldern Südenglands die Spekulationen ins Absurde. Vandalismus, Jugendstreiche, gar außerirdische Aktivitäten? Landbesitzer, Anwohner und Medienleute laufen Sturm. Doch Redbone und Calvert, den nächtlichen Schöpfern der immer komplexeren Formen und Muster im Getreide, geht es nicht um Wirbel und Aufmerksamkeit. Höchstens für das Land, die Natur. Das Streben der beiden jungen Männer nach Perfektionismus gilt allein der Ästhetik. 
„Nähre den Mythos und strebe nach Schönheit“ , ist Redbones Mantra, und er will es nicht nur „dem Establishment zeigen“, schuld am weltumspannenden moralischen Verfall, sondern auch einen „mythischen Status“ erlangen. 
„In die Volksmythologie eingehen und als bewunderter Gesetzloser in der Erinnerung meiner Mitbürger bleiben […] gibt es was Besseres?“ (S.24)
Je perfekter der Kreis, desto näher dran. 
Sein Freund Calvert, seelisch kriegsversehrt, hat seine eigenen (therapeutischen) Gründe für die nächtlichen Missionen. Indem er die Regeln bricht und sein eigenes Spielfeld betritt, versucht er die erlittenen Traumata als Figur auf dem Schachbrett sinnloser Machtspiele zu mildern oder gar zu heilen.
Beide vereint eine Art Ehrenkodex: niemals darüber sprechen, sich keinem zu erkennen geben. 
Wie auch in seinem vielgelobten Erstling „Offene See“ besticht Benjamin Myers mit einer beeindruckenden Sprachschönheit. Ihm auf Streifzug durch die englische Natur zu folgen, vorzugsweise in der lindernden Kühle nach einem flirrendheißen Sommertag, ist ein pures Vergnügen. 
Die philosophischen Diskussionen der beiden Freude laden durchaus zum Mitdenken ein, wenngleich ich nie aus der Rolle des distanzierten Betrachters herausgefunden habe. Mir war immer, als sähe ich die Männer in einiger Entfernung durch das Korn streifen oder am Feuer sitzen und kam nie nah genug, um ihre Gesichter zu erkennen. Aber das ging wohl nicht nur mir so.
Dass beide Männer bereits zu Beginn der Handlung eine lange Freundschaft verbindet, muss man sich immer wieder ins Gedächtnis rufen. 
Insgesamt ein Stück wirklich guter Literatur, das aber nicht so ganz den Weg in mein Herz gefunden hat.