Rezension

Der Teufel Alkohol: eine Abwärtsspirale

Shuggie Bain -

Shuggie Bain
von Douglas Stuart

Bewertet mit 4 Sternen

Würdiger Preisträger.

In „Shuggie Bain“, dem Debütroman und Booker Prize Gewinner 2020 von Douglas Stuart, ist Agnes Bain die bemitleidenswerte und tragische Alkoholkranke, die die Familie durch ihre Sucht zugrunde richtet. Man mag sich darüber streiten, ob der Roman in erster Linie die Geschichte des Niedergangs der Agnes Bain ist oder die einer Kindheit im Schatten des Teufels Alkohol.

Die Familie Bain zieht, bedingt durch tragische Umstände einige Male um, wobei sie vom Regen in die Traufe kommt. Das erste Mal wohnen alle beengt bei Agnes Eltern, das zweite Mal leben sie in einer verarmten Bergarbeitersiedlung, wo der Umgangston womöglich noch rauer ist als vorher, danach leben sie im sozialen Wohnungsbau, kärglich und ärmlich. Die Familienmitglieder diffundieren, zuerst geht der Ehemann, dann die Tochter, dann der ältere Sohn. Wer bleibt, ist Shuggie. Durch die Alkholkrankkeit der Mutter leiden alle, am meisten aber der Jüngste, der als Erzähler fungiert. Meistens fehlt das Geld für das Notwendigste, doch wenn Agnes eine nüchterne Phase hat, funktioniert sie und man könnte auf einen grünen Zweig kommen. Doch es währt nie lange, bis sie wieder schwach wird.

Der Kommentar:
Die Düsterkeit der Szenen gelingt Douglas Stuart meisterhaft. Die gegenseitigen emotionalen Abhängigkeiten werden schön in Szene gesetzt. Die Abwärtsspirale dreht sich folgerichtig bis zum bitteren Ende. Das vermittelte Männerbild ist rabenduster.

 Sprachlich ist der Roman dicht, die Vergleiche treffend. Jedoch folgen sie auch dicht an dicht und wie immer, ist allzuviel, zu viel. Eine gewisse Monotonie liegt in der Abfolge der immer neuen Szenen des Abstiegs.

Das Kind Shuggie kämpft neben der Ausgrenzung durch die alkoholkranke Mutter zusätzlich durch die Ausgrenzung wegen seiner „Andersartigkeit“. Erschreckend, dass man sich bereits in den 1980er Jahren befindet, eine Zeit, in der Homosexualität längst toleriert wird. Doch es kommt darauf an, in welchem Milieu man sich befindet. Die Handlung spielt nicht in hippen Großstädten, sondern in einem verengten Lebensraum. Auch über die Darstellung der Andersartigkeit Shuggies könnte man trefflich streiten. Spielen schwule Jungs notgedrungen mit "Weiberspielzeug", gibt es das überhaupt? Bewegen sie sich anders? Ab wann sind Jungs von Jungs „angezogen“?

Fazit: Douglas Stuart hat einen Roman von beachtlichem Niveau geschrieben, der im Arbeitermilieu spielt, was ihm seine besondere Brisanz verleiht! Man hätte den Roman durch eine Kürzung straffen können, ja müssen, damit er Spannkraft und Sprengkraft behält; er leiert ein bisschen aus. Sprachlich hätte der Roman gewiss auch einige Straffungen vertragen. Im Großen und Ganzen aber ist der Titel durchaus preiswürdig.

 Kategorie: Belletristik
Verlag: Hanser, 2021

Booker Prizeträger 2020