Rezension

Was vermag Liebe?

Shuggie Bain -

Shuggie Bain
von Douglas Stuart

Bewertet mit 5 Sternen

 

Douglas Stuarts 2020 mit dem renommierten Booker Prize ausgezeichneter Roman “Shuggie Bain“ schildert das Leben einer armen Arbeiterfamilie in Glasgow von 1981-1992. Es ist die Thatcher-Ära, die Zeit der Zechenschließungen, als die Männer arbeitslos wurden und die Familien von Sozialhilfe und Kindergeld leben mussten. So geht es auch der schönen Agnes Bain, die aus ihrer ersten Ehe mit dem Katholiken Brendan McGowan die Kinder Catherine und Alexander, aus der zweiten Verbindung mit dem Taxifahrer Hugh – genannt Shug – Bain den kleinen Sohn Shuggie hat. Als der Weiberheld Shugh sie in der kleinen Siedlung Pithead in einer Mietwohnung einquartiert hat, verlässt er sie, und mit Agnes geht es schnell bergab. Obwohl sie sich äußerlich nicht gehen lässt und der Öffentlichkeit stets ihre makellose Schönheit in gepflegter Kleidung präsentiert, verfällt sie dem Alkohol. In der Siedlung muss sie sich als versoffene Hure beschimpfen lassen, und ihr neuer Partner Eugene, ebenfalls Taxifahrer, macht alles nur noch schlimmer. Der Einzige, der sie bedingungslos liebt und jahrelang versucht, sie zu retten, ist ihr jüngster Sohn Shuggie. Auch er hat es nicht leicht. Er ist anders als andere Jungen, wirkt weibisch, drückt sich gewählt aus und hasst Fußball. Schon als Kind wird er als Schwuchtel beschimpft, ausgegrenzt, gemobbt.

Stuarts Roman mit autobiografischen Zügen berührt und verstört. Szene für Szene begleitet der Leser die verarmten Unterschichtfamilien mit ihren trunksüchtigen und Bingo spielenden Müttern und sieht die vernachlässigten und hungernden Kinder, die leiden, weil die Mütter wieder einmal die Stütze versoffen und verspielt haben. Es gibt einige witzige Passagen, aber überwiegend ist das ein todtrauriges Buch, das nicht nur durch die authentischen Milieuschilderungen beeindruckt, sondern auch durch seine Sprache. Die Übersetzerin erfindet einen eigenen Slang für die Dialoge der Arbeiterfamilien, die im Original gewiss nicht Oxford English sprechen, sondern vermutlich Glaswegian, den speziellen Dialekt der Region. Dieser ungewöhnliche Roman hat mich sehr beeindruckt. Allerdings frage ich mich die ganze Zeit, ob im Klappentext unbedingt stehen muss, dass Shuggie mit seiner Mission scheitert.