Rezension

Sehr empfehlenswert!

Und nachts die Angst - Carla Norton

Und nachts die Angst
von Carla Norton

Bewertet mit 5 Sternen

Reeve war vier Jahre lang von einem sadistischen Pädophilen gefangen gehalten worden, als sie mit 16 zufällig befreit wird. Jetzt, sechs Jahre später benötigt sie immer noch psychiatrische Hilfe. Da wird die zwölfjährige Tilly aus einer ganz ähnlichen Situation befreit und wünscht sich, mit Reeve sprechen zu können. Reeve sagt zu. Doch als Tilly ihr ein bisher geheimgehaltenes Detail erzählt und sie gleichzeitig beschwört, dies nicht weiterzuerzählen, weiß Reeve, dass es noch nicht vorbei ist und ermittelt auf eigene Faust, dadurch bringt sie nicht nur sich in große Gefahr.

Carla Nortons Thrillerdebüt ist für mich ein absolutes Lesehighlight, spannend bis zur letzten Seite, psychologisch fein gestrickt, mit sehr gut ausgearbeiten Charakteren und einer interessanten Story.

Schon Cover und Titel sagen einiges aus über den Roman. Die kaputte Glühbirne, der Zigarettenrauch, beides vor dunklem Hintergrund, die Worte „nachts“ und „Angst“, all dies erzeugt schon eine gewisse Stimmung; und das Versprechen, das hier gegeben wird, kann die Geschichte halten, man kann die Ängste der Mädchen sehr gut nachfühlen. Außerdem nimmt auch die Perspektive des Täters großen Raum ein, dadurch wird das, was den Mädchen passiert ist, noch wesentlich greifbarer. Man merkt auch, dass Carla Norton weiß, wovon sie da erzählt. Als Gerichtsjournalistin hat sie sicher einiges erfahren (müssen).

Das Geschehen ist psychologisch gut ausgearbeitet und größtenteils mit einer gewissen Distanz geschrieben, so hat die Autorin durchgehend auf die Ich-Perspektive verzichtet. Diese Distanz tut nicht nur dem Leser gut, sie drückt auch z. B. die emotionale Distanz des Täters aus und auch die Distanz, die Reeve herstellen musste, wollte sie nicht am Geschehen zerbrechen. Trotzdem ist der Leser mitten in der Geschichte, denn sie berührt Ängste, die wohl jeder hat, die Angst, gefangen zu sein, misshandelt und gefoltert zu werden, einsam und verlassen zu sein und vor allem die Angst, vollkommen ausgeliefert zu sein. Besonders gut hat mir gefallen, dass auch der Gesundungsprozess dargestellt wird und es somit auch eine greifbare Hoffnung gibt.

Carla Norton hat auch ihre Charaktere sehr gut ausgearbeitet. Vor allem Reeve finde ich sehr gut gelungen, man fühlt mit ihr, man hofft mit ihr und man kann sehr gut ihre Entwicklung erkennen. Ebenso der Gegenspieler, kalt, emotionslos und sehr clever, seine Gedanken und Handlungen können Angst machen. Etwas überzeichnet kommt einem nur die Staatsanwältin vor, was aber wahrscheinlich daran liegt, dass uns Deutschen das amerikanische Justizwesen oftmals sehr fremd ist.

Kurze Kapitel und wechselnde Perspektiven tragen dazu bei, dass man das Buch vor Spannung kaum aus der Hand legen mag. Am Ende ist man zufrieden, ich finde alles ist durchaus logisch durchdacht.

Absolut empfehlenswert für alle Thriller-Fans, für mich eines meiner Lesehighlights in diesem Jahr. Carla Norton werde ich im Auge behalten.