Rezension

Schwesternschaft als Ressource in einer rassistischen Gesellschaft

Drei Kameradinnen -

Drei Kameradinnen
von Shida Bazyar

Bewertet mit 5 Sternen

Egal, wie sehr wir weißen Menschen glauben, Rassismus nachfühlen zu können - dieses Buch führt vor, warum uns das nie komplett gelingen wird

Kasih, Saya und Hani - das sind drei Freundinnen, drei Kameradinnen seit frühester Kindheit. Geprägt hat sie in ihrem Aufwachsen nicht nur, dass sie im gleichen Viertel aufgewachsen sind, sondern vor allem, dass sie von kleinauf die Erfahrung gemacht haben, nie ganz dazuzugehören - jede auf ihre Art, aber alle wegen einer Herkunft, die die sogenannte Mehrheitsgesellschaft überall verortet, nur nicht in Deutschland. Erzählt wird die Geschichte von Kasih, die auf die vergangenen Tage zurückblickt, nachdem Saya als Tatverdächtige eines Brandanschlags verhaftet wurde.

Radikal und klar konstruiert Shida Bazyar Situationen, um diese direkt wieder einzureißen, (inbesondere uns weißen) Leser*innen zu verunsichern, uns dabei schonungslos vorzuführen, wie tief unsere Vorurteile sitzen, wenn wir gerade denken, eine Situation erfasst zu haben, um dann festzustellen, dass Kasih unsere "reflektierten" Gedanken schon lange vor uns erfasst hat. Das alles erledigt sie aber eher nebenbei, da unsere Befindlichkeiten nicht im Zentrum dieses Romans stehen. Dieser Platz ist dem Umgang mit Rechtsterrorismus in diesem Land vorbehalten, der Perspektive dreier Freundinnen, die die vielen rechtsterroristischen Angriffe nicht nur aus einer besorgten Perspektive, sondern realen Bedrohungssituation heraus verfolgen, für die nicht die angebliche, so oft beschworene Sprachbarriere das Hauptproblem darstellt, sondern eine Vertrauensbarriere. Die nicht vertrauen können und wollen auf einen Sicherheitsapparat, der sie zuallererst als Täter*innen sieht. Gleichzeitig gibt es kein einfaches "Nebenher", denn genauso klar zeigt der Roman, dass der Drang, angeblich "fremde" Menschen zu klassifizieren und diesen Apparat aufrechtzuerhalten, keinesfalls nur in rechten Kreisen existiert, sondern auch von uns Leser*innen geteilt wird, die wir erwarten, mit diesem Buch unsere Perspektive zu erweitern und ein weiteres Stück "Migrationsliteratur" zu konsumieren. um uns danach auf der richtigen Seite zu wähnen.

Definitiv erweitert dieser Roman diese Perspektive, aber gerade, weil er uns die Dinge zeigt, die wir über uns selbst ungern wahrhaben wollen und diese problematischen und verinnerlichten Denkweisen mit ihren realen Auswirkungen, nämlich der bestehenden Ausgrenzung und Bedrohungssituation, verknüpft. Deutlich wird auch, dass jede rassifizierte Person anders mit ihren Erfahrungen umgeht und dadurch nie für alle sprechen kann, dass aber viele rassifizierte Menschen sehr ähnliche Diskriminierungserfahrungen teilen, die weiße Menschen meist gar nicht als solche wahrnehmen oder sogar für einen Ausdruck von Wertschätzung halten. Gleichzeitig beschreibt das Buch eine Kameradinnenschaft, die nicht nur besteht, weil die drei Freundinnen Diskriminierungserfahrungen teilen, sondern weil sie aus der gemeinsamen Freundschaft Kraft schöpfen und jede eine andere Facette dazu beitragen.

Ein eindringliches Buch, das schonungslos das aufzeigt, was uns allen eigentlich schon lange klar sein müsste, nämlich dass die Bekämpfung von Rechtsterrorismus nicht nur eine gesamtgesellschaftliche, sondern eine sehr dringende Angelegenheit ist und damit verbunden werden muss, gesamtgesellschaftliche Strukturen und individuelle Denkmuster über angeblich fremde Menschen zu verändern. Deutlich wird aber auch: Freund*innenschaften und ehrliche Solidarität sind für diesen Kampf bitter nötig und gleichzeitig empowernd.