Rezension

Doppelte Diskriminierung als Frau und Einwanderer-Kind

Drei Kameradinnen -

Drei Kameradinnen
von Shida Bazyar

Bewertet mit 4 Sternen

„Bleibt beieinander“ hatte Hanis Mutter zu den drei Mädchen gesagt, als sie Kinder waren – und das sollte sich als kluger Tipp herausstellen. Als Erwachsene trifft  die Icherzählerin Kasih in Berlin Saya und Hani  wieder - zur Hochzeit ihrer Freundin Shaghayegh. Die drei sind als Kinder von Migranten im selben Viertel aufgewachsen und teilen die Erfahrung, dass ihnen die Feinheiten in den Sitten und Codes der Deutschen lange fremd blieben. Ihre eigenen Familien fuhren z. B. nicht in Urlaub, sondern trafen sich zu Familienfesten. Verwandte waren Leute, mit denen Sayas Eltern Erinnerungen teilten, von denen sie ihren Kindern bisher nichts erzählt hatten. Schon als Kinder lernten die Freundinnen, unter Gleichaltrigen nicht aufzufallen. Man verwendete am besten nur die Textbausteine deutscher Kinder, damit sie einen verstanden. Diese Distanz spüren die Frauen bis heute. Auch mit abgeschlossenem Studium gibt es noch immer eine Trennlinie zwischen „uns“ und „den anderen“, ob in der Liebesbeziehung, in der WG oder bei der Jobsuche. In Berlin zeigt sich die Linie absurderweise darin, dass Life, der einzige gebürtige Berliner weit und breit, von den zugezogenen Kneipenwirten wie ein Fremder behandelt wird, weil er einen Tick anders aussieht als sie. Auch gebürtigen Berlinern erschließt sich der Code nicht unbedingt, an dem  geschlossene Milieus gegenseitig ihren Stallgeruch erkennen. 

Während alle bereits im Hochzeitsfieber waren, rastete Saya aus. Die Erzählerin wartet in der Gegenwart gerade auf Sayas Entlassung aus der Haft. Was der Anlass dafür war, gibt Kasih in winzigen Schritten erst allmählich preis. Indem sie den Vorhang allmählich zur Seite schiebt, zeigt sie zögernd auch sich selbst. Aus welchen Ländern die Eltern der Freundinnen nach Deutschland kamen, bleibt jedoch ungesagt. Kasih will ihren Lesern und Zuhörern keine Informationen liefern, mit denen Saya, Hani und sie in eine Migranten-Schublade gesteckt werden könnten. Als Reaktion auf die doppelte Diskriminierung als Frau und Einwanderer-Kind der ersten Generation will Kasih nicht mehr nach anderen Maßstäben beurteilt werden als andere. Kasih versucht sich vorzustellen, was ihr Publikum von ihr erwartet, und genau diese Erwartungen wird sie nicht erfüllen. „Ihr“ werdet es sowieso nicht begreifen, davon ist sie überzeugt.

Shida Bazyar sät im Rant ihrer Icherzählerin Kasih immer wieder Zweifel daran, ob die authentische Geschichte der Freundinnen erzählt wird oder es sich einfach um Geschichten handelt. Zusammen mit der eingeschränkten Perspektive einer Icherzählerin lässt diese geplante Verunsicherung ihren Roman auf mich sehr spröde wirken.