Rezension

Der unsichtbare Mann

Und morgen du - Stefan Ahnhem

Und morgen du
von Stefan Ahnhem

Bewertet mit 3 Sternen

Helsingborg ist die Hölle. Zumindest muss es den südschwedischen Bewohnern dort so vorkommen. Mordet doch da jemand gewissenlos Einwohner der Stadt - und das auf dermaßen brutale Art und Weise, dass man das kalte Grausen bekommen möchte in diesem brütendheißen Sommer. Wie es sich herausstellt haben die Ermordeten eine Gemeinsamkeit: Sie waren alle in derselben Klasse, haben sich also zumindest zu einem gewissen Zeitpunkt gekannt.
Einer aus dieser Klasse ist Fabian Risk, ein Polizeibeamter, der soeben aus Stockholm zurückkehrt in seine Heimatstadt. Obwohl er noch Urlaub hat und eigentlich diesen Urlaub und den Umzug nutzen möchte, um seiner Familie wieder näherzukommen, lässt er sich bereitwillig in die Ermittlungen einbinden. Frau, Tochter und Sohn sind not amused. Doch Fabian ist davon überzeugt, dass nur er diesen Fall lösen kann. Er hat auch schnell einen Verdächtigen bei der Hand, ein ehemaliges Mobbingopfer der ersten beiden Toten. Der Fall scheint klar - bis er eine überraschende Wende nimmt, sich die Toten rechts und links des Weges zu stapeln scheinen und niemand mehr sicher ist. Die Nachrichten über die Morde schaffen es nicht nur bis nach Dänemark, wo die dortige Polizei ebenso überfordert ist, sondern bekommt internationale Bekanntheit. Ist es das, worauf der Täter aus ist?

Den Anfang fand ich ausgesprochen gut. Der Schreibstil gefällt, es liest sich gut weg. Doch je mehr sich das Buch entwickelte, desto weniger gefiel es mir. Das fängt schon mal an mit Fabian, dem Hauptprotagonisten. Obwohl er - wie man ganz vage in Rückblenden mitgeteilt bekommt -, bereits in Stockholm wegen dieser Angewohnheit Ärger bekommen hat, macht er alles im Alleingang. Eben teilt ihm seine neue Chefin noch mit, dass hier alles im Team erledigt wird, er nickt ab - und macht genau das, was er nicht soll. Ständig übrigens. Denn Fabian weiß es ohnehin besser als diese Provinzpolizisten. Er vernachlässigt seine Frau, seine Tochter ist irgendwie so das Gewusel, das ihm gelegentlich am Telefon antwortet und sein pubertierender Sohn ist eh ein Klotz am Bein, mit dem man sich am besten per SMS unterhält.

Genauso wenig gefallen hat mir die Begriffsstutzigkeit der Ermittler. Huch, da haben sie einerseits einen Typen, der Medizin studiert hat und irgendwann 1993 spurlos verschwand, dann haben sie da einen anderen Typen, der offensichtlich erst 1994 auftauchte und Mediziner ist? Komisch. Könnte es da vielleicht einen Zusammenhang geben? Ach, nicht doch ... Oder das Auto eines Verdächtigen an einer Tankstelle, da kommt keiner auf die Idee, das bewachen zu lassen. Nee, lieber bringen wir mal das Tankstellenpersonal in Lebensgefahr. Ist ja bloß ein mehrfacher Mörder, nach dem wir hier fahnden. Außerdem sind sie ständig übermüdet, weil sie Überstunden schieben ohne Ende. Warum eigentlich? Sie haben null Anhaltspunkte. Wenn ich mit nichts arbeiten kann, was arbeite ich da? Kann man da nicht mal nach Hause gehen und ausschlafen? Ist ja nicht so, als wäre niemand über Handy erreichbar.

Es gab so einige Sachen, die mich gestört haben. Von 20 Leuten aus einer Klasse kann sich keiner mehr an einen Klassenkameraden erinnern, mit dem sie jahrelang zusammen waren. Kein einziger. Die litten plötzlich alle an teilweisem Gedächtnisverlust. Ich würde ja nichts sagen, wenn es die Unterstufe gewesen wäre, aber dem war nicht so. Und dann das Mordmotiv selbst - ehrlich gesagt, ich habe selten ein Motiv erlebt, das ich unglaubwürdiger fand. Obwohl viele wichtigen Sachen in diesem Buch angesprochen wurden, wurde nur wenig richtig gemacht. Das Thema Mobbing zum Beispiel. Irgendwann kam mal eine Aussage aka "Lieber möchte ich ein Mobbingopfer sein als nicht beachtet zu werden". Aha. Wenn das nicht ein Schlag ins Gesicht ist, weiß ich auch nicht weiter.

Fazit: Gut geschriebener, aber oftmals unnötig überzogener, unlogischer Thriller mit einem mir unsympathischen Hauptprotagonisten.