Rezension

Vergangenheit trifft auf Gegenwart

Stay away from Gretchen -

Stay away from Gretchen
von Susanne Abel

Es gibt Bücher, die einen besonders ansprechen, nachdenklich machen und nachhaltig berühren. Zu ihnen gehört für mich „Stay away from Gretchen – Eine unmögliche Liebe“ von Susanne Abel. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass die im Buch erzählte Geschichte einige Parallelen zu meiner Familiengeschichte hat. So war auch meine Großmutter im Krieg ein Flüchtlingskind und ist Jahrzehnte später an Demenz erkrankt. Viele kleine Szenen aus dem Buch kamen mir wahrscheinlich deshalb sehr bekannt vor.

In dem Buch wechseln sich zwei Zeitebenen ab, die Spannung aufbauen und gleichzeitig tiefe Einblicke in das Schicksal und die Gefühlswelt der Protagonisten bieten. In der Gegenwart lernen die Leser Tom Monderath kennen, der ein erfolgreicher Nachrichtenmoderator ist und mit der beginnenden Alzheimererkrankung seiner Mutter Greta konfrontiert wird. Ausgelöst durch die Erkrankung verliert die alte Dame immer mehr den Bezug zum Hier und Jetzt und durchlebt ihre schicksalsreiche Kindheit und Jugend während und nach dem zweiten Weltkrieg erneut. Was sie in dieser Zeit erlebt hat, erfahren die Leser in den Rückblicken der zweiten Zeitebene. Die Flucht aus Ostpreußen zusammen mit ihrer Familie vor den Russen, die Angst um den Vater, der seit dem Krieg verschollen ist, der Kampf ums tägliche Überleben… Die Familie findet Zuflucht in Heidelberg. Dort verliebt sich Greta in einen dunkelhäutigen GI. Doch diese Liebe war zu damaligen Zeiten ein großes Tabu. Und das Schicksal schlägt noch erbarmungsloser zu als Greta ein Kind erwartet…

Großartig fand ich die vielen Fakten und Hintergründe, die mit in die Geschichte einflossen. Viele kritische Themen wurden angesprochen und aufgearbeitet – einige Aspekte davon waren mir nahezu unbekannt. Es werden Themen wie der Brown Baby Plan angesprochen, die ich so noch nie in einem Roman gefunden habe. Das breite Themenspektrum machte mir wieder einmal deutlich, wie viel Ungerechtigkeit in diesen Jahren geschehen ist und welche Nachwirkungen sie immer noch auf die Generationen danach haben. Der Schmerz und die Hilflosigkeit der Charaktere waren dabei glaubhaft und nachvollziehbar. Doch gleichzeitig muss ich hier auch ein kleines Aber einschieben, denn durch die Fülle an Fakten machte die Story an einigen Stellen – besonders in der neueren Zeitebene – einen zu konstruierten Eindruck auf mich. Doch das ist Kritik auf hohem Niveau. Und so will und kann ich an dieser Stelle nicht mehr verraten, sondern gebe euch lieber eine klare Leseempfehlung.