Rezension

Die traurige Liebesgeschichte zwischen einem deutschen Mädchen und einem schwarzen Besatzungssoldaten

Stay away from Gretchen -

Stay away from Gretchen
von Susanne Abel

Bewertet mit 5 Sternen

Viele Themen geschickt verwoben: Flucht und Neuanfang, Liebe zu einem schwarzen Besatzungssoldaten, Besatzungskinder, Rassismus, Demenz

Eigentlich mag ich es nicht, wenn ein deutsches Buch einen englischen Titel hat, aber hier passt es. 'Stay away from Gretchen' wurde amerikanischen Besatzungssoldaten gesagt, aber es passierte natürlich dennoch tausendfach und oft entstanden aus diesen Liebesbeziehungen Kinder. Das war schwierig, weil die amerikanischen Soldaten nicht dem deutschen Gesetz unterlagen und ganz besonders schwierig war es, wenn der Vater ein Schwarzer war. Die sogenannten Mischlingskinder hatten es in der deutschen Nachkriegsgesellschaft schwer und um ein solches Schicksal einer ganzen Familie geht es hier.

Wir haben es mit zwei Handlungssträngen zu tun; zuerst einmal fängt die Geschichte in der Gegenwart an. Der bekannte Journalist und TV-Star Tom Monderath führt ein hektisches Leben zwischen Interviews, Nachrichtensendungen, Flügen, Autofahrten, Besprechungen und vielem mehr und er tut mindestens drei Dinge gleichzeitig. Das ist im Präsens erzählt und erhält damit eine Unmittelbarkeit und einen Drive, der auch den Leser mitzieht. Dabei hatte mir der Beginn gar nicht sonderlich gefallen.

Doch dann wurde es interessant, denn anscheinend gibt es bei Toms Mutter Anzeichen für Alzheimer-Demenz. So muss er sich auch noch um sie kümmern und der Leser fragt sich, wie er das schaffen will. Dazu blitzen hin und wieder Anzeichen auf, dass die Mutter ein Geheimnis hat und das wird so geschickt eingestreut und zunehmend verdichtet, dass ich gar nicht mehr aufhören konnte zu lesen.

In einem zweiten Handlungsstrang taucht der Leser mit in ihre Erinnerungen ein: die ostpreußische Heimat, die nationalsozialistische Indoktrination der Kinder, die Flucht, die Anfänge im Westen, die mühselige, ärmliche Notzeit in Heidelberg und die Kontakte mit amerikanischen Soldaten. Greta lernt Bob kennen, einen baumlangen sympathischen Schwarzen und sie verlieben sich ineinander. Sie wird schwanger und der Leser ahnt, dass es nun ganz schwierig werden wird. Ein schwarzer amerikanischer Soldat kann nicht einfach ein weißes deutsches Mädchen heiraten.

Dem stehen amerikanische Gesetze entgegen, denen die Soldaten unterliegen, die Unfreiheit durch die militärische Befehlsgewalt, aber vor allem der immer noch vorhandene Rassismus in der deutschen Bevölkerung und – nicht zu vergessen – auch der Rassismus in den USA, in den Streitkräften selbst.

Die Lage eskaliert und erscheint ausweglos; traurige Dinge passieren und all das kriegt Tom Monderath nach und nach mit Hilfe einer Kollegin durch Recherchen heraus. Was hat seine Mutter mit dem schwarzen Bob zu tun? Wo ist das Kind? Was ist überhaupt los? Weil all' das einen Teil der Spannung ausmacht, soll hier nicht mehr verraten werden.

Fand ich zuerst nur, dass es eine spannende Familiengeschichte ist, die mich mehr und mehr in ihren Bann zog, stellte sich nach und nach heraus, dass das Hauptthema der Umgang mit schwarzen Besatzungskindern ist und das wird von der Autorin so geschickt in den Roman eingebettet, dass man einiges darüber lernt ohne sich zu langweilen.

Es gibt viele Nebenthemen, was ich in manchen Romanen als zu viel empfinde, in diesem nicht. Wer etwas Spannendes, menschlich Ergreifendes lesen will, ohne Kitsch und sprachlich gehoben, der wird an diesem Buch seine Freude haben.