Rezension

Anders aber gut

The Comfort Book - Gedanken, die mir Hoffnung machen -

The Comfort Book - Gedanken, die mir Hoffnung machen
von Matt Haig

Bewertet mit 4.5 Sternen

Wieder einmal beweist Matt Haig, warum er einer meiner Lieblingsautoren ist. Zwar unterscheidet sich das Buch diesmal vom Aufbau und Inhalt her von seinen anderen, aber das macht es nicht minder gut.

Aufgebaut ist das Buch, wie bereits zu Anfang vom Autor selber beschrieben, in mehreren Abschnitten/ Kapiteln, die wiederum in mehrere Teile aufgeteilt sind. Man kann das Buch beliebig lesen. Also kreuz- und quer oder eben durchgängig von Anfang bis Ende. Sollte man sich, wie ich, für letzteres Entscheiden, merkt man aber, dass sich im Grunde genommen ein roter Faden durchzieht und die Übergänge nahtlos verlaufen. Verpassen tut man aber nichts, wenn man ein „Kapitel“ mittendrin liest.

Der Schreibstil ist weiterhin klasse, ehrlich und informativ. Die vielen Zitate aus anderen Werken und von anderen Schaffenden, finde ich persönlich toll und teils auch inspirierend.

Was den Inhalt des Buches angeht… Es muss erwähnt werden, dass es sich hier natürlich um die Perspektive und die Erfahrungen des Autors handelt. Er beschreibt, was er durchgemacht, was ihm geholfen (Bücher, Musik, etc.) und was er aus allem gelernt hat. Man sollte sich dem bewusst sein und das Buch jetzt nicht als „Bibel“ oder Hilfestellung nehmen, wonach man lebt. Denn jeder Mensch ist individuell und das was bei ihm geholfen hat, muss nicht bei anderen genauso sein.

Größtenteils konnte ich mich auch bei diesem Buch in seinen Worten wiederfinden. Als jemand, die selber depressiv ist und Selbstreflexion betreibt und alles analysiert, war mir natürlich vieles bereits bewusst und nicht neu. Nichtsdestotrotz ist Matt Haig jemand, der alles endlich mal zu Papier gebracht hat und so eventuell ein paar Menschen zum Nachdenken anregen kann. Bei manchen Dingen stimme ich ihm zu, bei anderen Punkten jedoch nicht.

Was mich etwas an dem Buch gestört hat, war, dass es so wirkte, als würde Matt Haig für alle depressive sprechen. Und das ist eben nicht der Fall. Wie bereits gesagt, ist jeder Mensch individuell. Depressionen kommen in verschiedenen Varianten und Schweregraden, werden gerne mal von anderen Psychischen Problemen begleitet und sind vl. Aufgrund eines Traumas entstanden. Zudem gibt es eben auch Introvertierte, Extrovertierte und Ambivertierte Menschen und DNA, Charakterzüge und eventuelle körperliche Beeinträchtigungen spielen ja auch ein wenig eine Rolle (Das Geschlecht wahrscheinlich ebenfalls, da es nun einmal [leider] Unterschiede und unterschiedliche Anforderungen und Erwartungshaltungen gibt), wenn es um die Psyche geht. Gründe für Depressionen und generell psychische Krankheiten sind so unterschiedlich und vielfältig. Man sollte also seine Erfahrungen nicht verallgemeinern. Und das Thema „Einsamkeit“-da widerspreche ich ihm, da ich aus eigener Erfahrung sagen kann, dass man sich selbst eben nicht genug ist. Man benötigt mindestens eine weitere Person, die einem Liebe, Geborgenheit und Support bietet (Tier wäre auch möglich stattdessen). Ich hatte all das für über ein Jahr nicht und kann demnach sagen, dass man zwar mit sich selber leben kann, aber die Psyche dermaßen leidet, weil kein Austausch mit anderen stattfinden kann. Man verkümmert regelrecht. Da bringt es nicht „sich selbst genug“ zu sein.

Grundsätzlich stimme ich Matt Haig zu, dass jeder Mensch Acht auf sich geben und das tun sollte, was für einem das Beste ist, unabhängig davon, was andere meinen, sagen und denken. Doch muss ich hier auch anmerken, dass alles leichter gesagt ist, als getan. Natürlich wäre es toll in einer idealen Welt zu leben, wo jeder machen und leben kann, wie er/sie/es will, aber das ist in dieser Welt nicht möglich. Wir sind Sklaven der jeweiligen Staaten, müssen funktionieren und Steuern zahlen. Wir haben alle Pflichten und Regeln an die man sich halten muss, weil die Konsequenzen in Hunger, Leid, Obdachlosigkeit oder Knast enden könnte. Man muss sich also unterordnen und teilweise jemand sein, der man vl. nicht ist oder sein will. Man ist gewissermaßen abhängig von anderen. Dementsprechend kann ich auch hier Matt Haig nicht zustimmen. Leider ist es nicht möglich für jeden genau das Leben zu führen, das zu einem passt. Es freut mich aber, dass er es geschafft hat.

Natürlich gibt es einige Punkte im Buch, die wichtig sind und die ich genauso sehe, wie z.B.:

-Diese Welt ist zu oberflächlich und materialistisch eingestellt. Menschen sollten anfangen sich wieder mehr auf das wesentliche zu konzentrieren (Man selbst, die Familie, Mensch und Lebewesen generell, Werte, etc.)

-Selbstreflexion: In meinem Umfeld betreibt kaum jemand Selbstreflexion. Kaum jemand nimmt sich Zeit dafür und lebt einfach vor sich hin und von einem Moment zum Anderen. Alles ist schnelllebig. Das ist schade. Denn gerade Menschen, die mit sich im Reinen sind, die sich selber kennen und zu ihren Fehlern und Macken stehen, sind jene, die ich am liebsten habe. Menschen, die „echt“ sind und zu sich stehen und gelernt haben sich mit ihren Gefühlen und Gedanken auseinander zu setzen, sind meist auch jene, die sich in andere besonders gut hinein fühlen können.

- Versuche alles aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten und bereue nichts, was geschehen ist. Selbst, wenn es negativ war und dich verletzt hat. Alles hat dazu geführt, dass man jetzt die Person ist, die man ist. Erfahrungen, egal ob positiv oder negativ sind wichtig für die Entwicklung. Man reift dadurch.

- Sei dir bewusst, was Worte und Taten anrichten können. Denke nach, bevor du handelst.

- Schäme dich nicht für deine Fehler und Macken. Menschlichkeit ist weitaus besser, als jemand, der andere und sich selbst belügt.

- Atme und nehme dir Zeit für dich

- Du hast nur ein Leben- verschwende es nicht damit andere zufrieden zu stellen und dir „Reichtum“ anzuhäufen, wofür du am Ende eh keinen Nutzen hast.

- Ein Fünkchen Hoffnung gibt es immer

- etc.

Matt Haig hat bereits vieles im Buch niedergeschrieben. Manches davon kann man annehmen und als Inspiration nutzen. Ich bin froh, dass Matt Haig vieles, was ich selber denke und fühle in Worte gefasst hat. Ich konnte mich wiederfinden und mit manches identifizieren. Nur ist dann bei mir halt das Problem, dass mir das Buch dadurch kaum einen Mehrwert bietet, weil mir alles bereits bewusst war. Ich hoffe aber, dass viele, die noch nicht an dem Punkt sind und noch nicht so viel Selbstreflexion betrieben haben dazu gebracht werden es zu versuchen oder es weiter betreiben. Es lohnt sich auf jeden Fall. Und eventuell bietet das Buch ein wenig Unterstützung dabei und regt zum Nachdenken kann. Doch, wie ich schon gesagt hatte- in diesem Fall sind es die Perspektive und die Erfahrungen von Matt Haig selber. Wie das eigene „Comfort Book“ dann aussieht und was es beinhaltet ist individuell.

Möglicherweise könnte man das Buch auch in der 10. Klasse oder in Psychiatrien einsetzen und durchnehmen. Einfach um das Bewusstsein zu schaffen für das, was zählt im Leben (keine Likes, kein Haufen Geld, etc.).

Schlussendlich kann ich sagen, dass ich trotz der wenigen negativen Aspekte, das Buch empfehlen würde. Größtenteils hat es mir ja schließlich gefallen.

Danke an Vorablesen.de, dass ich an der Leserunde teilnehmen durfte :)