Packend, mit einigen Schwachstellen
Bewertet mit 4 Sternen
Meinung
Geschichten, die während der deutsche Besatzung auf den Kanalinseln spielen, sind rar. Deshalb hat mich der Roman neugierig gemacht. Die Autorin schildert das Leben auf der Insel Jersey sehr intensiv. Die Versorgungslage, die immer knapperen Lebensmittel, den Hunger und die Not, aber auch den Umgang mit den Besatzern. Man spürt förmlich wie der Hass der englischen Bevölkerung gegenüber den Deutschen mit der Zeit wächst. Die Inselbewohner fühlen sich von ihrem Heimatland verraten und den Deutschen ausgeliefert. Bis auf wenige Momente des Aufbegehrens können sie den Besatzern nicht viel entgegensetzten. Der Schreibstil ist dabei mal fast sachlich, dann wieder eindringlich, somit bekam ich eine genaue Vorstellung von der Insel und der angespannten Stimmung zu dieser Zeit.
Hedy ist von allen Informationsquellen abgeschnitten, über die sie etwas von ihren Geschwistern oder Eltern erfahren könnte. Durch ihre Erinnerungen erfahren wir ein bisschen über ihre Vergangenheit, ihre Familie und ihre Flucht. Zu Beginn ist Anton ihre einzige Bezugsperson auf der Insel. Ihm gegenüber verhält sie sich sehr besitzergreifend und kann seine Freundin Dorothea nur schwer akzeptieren. Öfters habe ich von Hedy den Eindruck eines verwöhnten, kleinen Mädchens. Sonderlich sympathisch ist sie mir zu Anfang nicht, auch im weiteren Verlauf des Romans bin ich nur zögerlich mit ihr warm geworden. Sie stammt aus einer reichen, bürgerlichen Familie und es schimmern immer wieder leicht arrogante Züge durch.
Kurt hat ein Auge auf Hedy geworfen und spricht sie an, doch Hedy blockt seine Annäherungsversuche ab. Ich kann sie da gut verstehen, er ist der Feind und sie hat in Wien erlebt, wie die Nazis mit Juden umgehen. Obwohl er zu diesem Zeitpunkt nichts von ihren jüdischen Wurzeln weiß. Die plötzliche Kehrtwende in dieser Beziehung hat mich dann überrascht, da ich angenommen hätte, dass sie sich erst einmal vorsichtig aneinander herantasten. Wahrscheinlich ist das der Grund, warum die große Liebe wenig glaubhaft scheint. Für mich haben zwischen den Charakteren keinerlei Funken gesprüht.
Spannender hingegen ist für mich Kurts Sicht der Dinge. Wie er seine Kameraden sieht, seine Ansichten über den Krieg und das Regime und wie sich seine Haltung im Verlauf des Romans ändert. Die Art und Weise wie er versucht an Informationen zu kommen, um Hedy zu schützen. Kurt ist für mich der eigentliche Hauptcharakter im Roman, weil er interessanter und facettenreicher angelegt ist, als Hedys Figur. Er ist die treibende Kraft hinter allem, der Akteur, der Hedy versteckt, und sie mit seinen Einfällen aus brenzligen Situationen rettet. Hedy ist bei allem ziemlich passiv. Auch seine Emotionen sind besser nachvollziehbar. Im Gegensatz zu ihm bleibt Hedys Figur blass. Ich hätte mir mehr Tatkraft von Hedy gewünscht, schließlich geht es um ihr Leben.
Selbst die, auf den ersten Blick sehr naiv wirkende, Dorothea, auf die Hedy gerne herabsieht, ist wesentlich taffer, patenter und mutiger als Hedy. Aus meiner Sicht dominieren Kurt und Dorothea die Erzählung weitaus mehr, als der eigentliche Hauptcharakter Hedy, denn die Zwei bringen die Geschichte voran, Ich hätte mir eine stärkere Hedy als Romanfigur gewünscht. Auch jetzt bin ich mir noch nicht sicher, ob ich Hedy überhaupt mag. Diese verbotene Liebe hätte jedenfalls noch wesentlich mehr Potential gehabt.
Fazit
Interessantes, selten behandeltes Thema des Zweiten Weltkrieges. Streckenweise zeigt die Handlung einige Schwächen, was vor allem an der blassen Hauptfigur liegt. Die Stärke des Romans liegt eindeutig in der Schilderung der Besatzungszeit.