Rezension

Die spannendsten Geschichten schreibt das Leben

Die Übersetzerin -

Die Übersetzerin
von Jenny Lecoat

Bewertet mit 3 Sternen

Hedy Bercu ist eine Jüdin, die in Wien lebt. Nach der Reichskristallnacht flieht sie 1938 auf die britische Insel, Jersey, und findet dort eine Anstellung. Doch bereits im Jahr 1940 wird die idyllische Insel von den Deutschen besetzt. Schon bald müssen sich auch hier alle Juden registrieren. 

Hedy kann trotzdem noch einige Jahre in Frieden leben, sie bekommt sogar eine Anstellung als Übersetzerin für die deutsche Wehrmacht. Doch im November 1943 sieht sie keinen anderen Ausweg mehr, als sich zu verstecken. Eine Freundin nimmt sie unter Lebensgefahr in ihrem Haus auf, und ein deutscher Offizier, der ihr Freund ist, unterstützt die beiden Frauen. Dort wird sie anderthalb Jahre bleiben.

Diese Frau – Hedy Bercu - gab es wirklich, und ihre Retterin Dorothea Weber wurde viele Jahre später für ihre Heldentat geehrt. Die Autorin dieses Buchs nimmt die wenigen geschichtlichen Tatsachen, die bekannt sind, als Grundlage dieser interessanten Erzählung. Da sie selbst auf der Insel Jersey aufgewachsen ist und ihre ältere Verwandtschaft die deutsche Besatzung miterlebt hat, wirkt ihre Beschreibung der Insel und der Gefühle der Bewohner lebendig und echt. 

Es ist faszinierend von dieser unwahrscheinlichen, wahren Geschichte zu lesen. In manchen Punkten jedoch scheint es, als hätte das Potential der Geschehnisse besser ausgeschöpft werden können. Dorothea, die durch Hedys kritische Augen gesehen wird, wird trotz ihrer Heldentat in weiten Teilen des Buchs als einfältige, oberflächliche Person geschildert. Die Beschreibung der Beziehung Hedys zu einem deutschen Offizier ist ein anderer Schwachpunkt dieses Romans. Die gegenseitige Anziehung scheint fast ausschließlich körperlich zu sein, das ist schade, denn es muss mehr gegeben haben, dass dieser aussichtslosen und gefährlichen Liebe Bestand gegeben hat. Und ein Letztes, außer dem Problem des Hungers und einer kurzen Zeitspanne der Gefahr, erscheint das Untertauchen Hedys eher wie ein ausgedehnter Besuch bei einer Freundin zu sein. Ob da die Wahrheit nicht dramatischer war als hier geschildert?

Von diesen Schwächen abgesehen, ist dieses Buch lesenswert und spannend und gibt einen guten Einblick in das Leben der Insulaner unter der deutschen Besatzung. Sie waren ja in einer einmaligen Situation, da sie plötzlich und unerwartet von allen anderen Ländern abgeschnitten waren. Die Not, der Hunger, die versteckte und auch offene Abneigung gegenüber den Besatzern wird glaubhaft geschildert.

Fazit: Eine interessante historische Erzählung, die auf unglaubliche, wahre Tatsachen beruht. Die Geschichte von Hedy und ihre Retterin ist erzählenswert, sie hätte aber besser ungesetzt werden können. Bedingte Leseempfehlung!