Rezension

Die Übersetzerin

Die Übersetzerin -

Die Übersetzerin
von Jenny Lecoat

Bewertet mit 4 Sternen

"Die Übersetzerin" von Jenny Lecoat, von Anke Kreutzer aus dem Englischen übersetzt, im Original "Hedy's War", erschien (HC, 2021) im Lübbe-Verlag.

 

Jersey, Sommer 1940:

 

Die Jüdin Hedwig Bercu (genannt Hedy) floh kurz vor dem Anschlüss Österreichs an Nazideutschland nach Jersey, um sich bald darauf auf der von den Deutschen 1940 besetzten Insel wiederzufinden... Nach Jersey ist sie mit Anton, einem Freund geflohen und beide versuchen, auf der Insel zu überleben.

Im Falle von Hedy ist dies ein gefährliches Unterfangen: Sie ist als Jüdin nicht vor den Progromen der Nazis sicher und bekommt auf legalem Wege keine Arbeit mehr. Anton entdeckt eines Tages eine Anzeige, die auf eine Stelle im deutschen Lager als Übersetzerin hinweist und fragt Hedy, ob sie sich nicht für die Stelle bewerben will: Hedy bekommt die Stelle, da sie fließend Englisch und Deutsch spricht, aber zu einem hohen Preis, denn ihre Seele verabscheut den Krieg und die Nationalsozialisten....

 

Durch ihre neue Arbeit lernt sie den Offizier Kurt Neumann kennen, der ihr anders erscheint als die verhassten Deutschen. Auch Kurt findet die junge Frau sehr sympathisch und sollte sich später in sie verlieben: Wird diese Liebe zwischen einer Jüdin und einem Soldaten der deutschen Wehrmacht durch die Zeit des 2. Weltkriegs bestehen bleiben können oder reißt es die beiden Liebenden auseinander?

 

Jenny Lecoat, selbst auf Jersey aufgewachsen, stellt das Kennenlernen und die Anfänge der Beziehung zwischen Hedy und Kurt in den Mittelpunkt des Romans, der auf einer wahren Begebenheit beruht. Sie fängt die Atmosphäre in dieser schweren Zeit bei den Insulanern und den wenigen Juden, die sich dort zuvor sicher wähnten, sehr gut ein und mit dem weiteren Kriegsverlauf auch die Veränderungen auf der Insel: Spielten früher lachende Kinder am Strand, so werden nun (von Zwangsarbeitern) Befestigungsanlagen gebaut. Es gibt kaum Nahrung und die Bevölkerung leidet Hunger; viele sind auch zuvor von der Insel zu Verwandten oder Freunden nach England gegangen, da klar war, dass die Nahrung knapp wird und das Überleben schwer.

 

Bevor der Freund Hedys eingezogen wird, lernt man noch Dorothea kennen; die er kurz vor dem Abschied heiratet: Dorothea scheint anfangs recht naiv und plappert drauflos, ohne nachzudenken, wobei später eine mutige und entschlossene Frau zu erkennen ist, die Hedy hilft, in dem sie sie bei sich aufnimmt. (Dorothea Weber, geb. Le Brocq, ist eine authentische Figur in Jenny Lecoat's Roman, die den "Status einer Gerechten unter den Völkern" in der Gedenkstätte Jad Vashem, Israel innehat). Auch Hedy ist auf ihre Weise sehr mutig und zweigt auf der Arbeit Coupons ab, die sie einem Arzt gibt, um zu helfen. Diese Taten sind für sie ein kleiner Ausgleich der Gerechtigkeit, von den Coupons kann auch sie sich Essen auf dem Schwarzmarkt kaufen und so einen kleinen Sieg über die Nazis erringen. Der Stil der Autorin ist flüssig zu lesen; atmosphärisch und emotional; auch die Bedrohung und die Furcht vor Entdeckung ist authentisch dargestellt; die sympathischen Figuren werden gut ausgeleuchtet.

 

Das Hauptthema des Romans ist jedoch die schwierige Liebesbeziehung zwischen Hedy und Kurt, die breiten Raum einnimmt. Die Gefühle beider werden sehr authentisch und bewegend beschrieben. Auch Zeitgeschichtliches wie der Eintritt der USA in den 2. Weltkrieg oder die Rede Churchills werden genannt; wie überall werden auch auf Jersey die Radiogeräte von den Nazis konfisziert, um sicherzustellen, dass die Bevölkerung keine "Feindsender" hört (wobei sie jedoch nicht wussten, dass so manches dennoch gottlob auf einem zweiten Gerät durchaus gehört werden konnte).

 

Die Angst vor Entdeckung versteckt sich unter der gesamten Handlung; besonders durch den Gestapo-Mann Wildgrube, der Kurt im Visier hat: Die beiden Liebenden müssen immer einen Schritt schneller sein und Verstecke finden, wo man Hedy unmöglich finden kann. So atmet man mit Hedy auf, als das Kriegsgeschehen sich wendet und die Kanalinseln befreit werden, die Deutschen abziehen müssen bzw. in Kriegsgefangenenlager überstellt werden.

Der Epilog ist ein Hoffnungsschimmer, der die Zukunft von Hedy und Kurt begleitet; "sie würden es schaffen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen, zu neuen Ufern aufzubrechen und Abenteuer zu erleben" (Zitat S. 316).

 

Fazit:

 

Historisches Zeitgeschehen und eine unmöglich erscheinende Liebesgeschichte in der Zeit der Besatzung von Nazideutschland im 2. Weltkrieg mit einer authentischen Figur auf der Kanalinsel Jersey, der für LeserInnen sehr empfehlenswert ist, die Historisches bevorzugen und auch darin verwobene Liebesgeschichten mögen, die hier im Vordergrund steht. Ich vergebe 4 Sterne und eine klare Leseempfehlung.