Rezension

Aufbruch der Glückskinder

Glückskinder - Teresa Simon

Glückskinder
von Teresa Simon

Bewertet mit 4 Sternen

Die Zwangsarbeiterin Griet befindet sich in den letzten Tagen des Zweien Weltkriegs mit anderen Häftlingen des KZ Dachau auf dem Marsch über die Alpen. Zum Glück werden sie von den Amerikanern befreit und können überleben. Die Münchenerin Toni wohnt mit ihrer Familie bei der Großtante Vev, zusammen mit ihrer Tante Anni und ihrem Sohn Benno. Sie wartet darauf, dass ihr Vater und ihr Bruder Max aus dem Krieg zurückkehren.

Erwartet habe ich, von den ersten Jahren der Nachkriegszeit zu erfahren und wurde belohnt. Der starke Einstieg zeigte den Marsch der Frauen aus dem Außenlager Giesing. Dabei sind Griet, eine holländische Widerstandskämpferin mit Geheimnissen, die sich ihr Mantra zum Überleben vorsingt und Leni, eine junge Polin, die als Zwangsprostituierte arbeiten musste, nun sehr krank ist und schwanger noch dazu. Das Ziel: ein Kloster in den Voralpen, wo sie auf ihre Befreiung warten. Und dann kommt der amerikanische Captain Walker und hilft den Frauen zu Überleben.

In München musste die Familie und Verwandschaft der jungen Toni in der Wohnung der Großtante zusammenrücken. Vater und Bruder sind im Krieg. Arbeit ist keine mehr vorhanden und das Essen wird immer knapper. Toni tauscht schließlich die Brosche der Großtante bei der Bäckerin gegen Brot und lernt dort den unverschämten "Pitraten" Louis kennen. Der hat ein Händchen für den Schwarzhandel und kann alles besorgen, was benötigt wird.

Im Zuge der Entnazifizierung muss Tonis Familie ein Zimmer für eine fremde Person opfern. Denn Wohnraum ist knapp, München wurde stark bombadiert. In das Zimmer zieht Griet, die von Captain Walker eine Zuzugsgenehmigung erhalten hat. Doch in dieser Wohnung wohnt ihr einstiger Peiniger Benno, der sie bei der Zangsarbeit in der Agfa oft angeschwärzt hat, wofür sie Konsequenzen zu spüren bekam. Tonis Familie is not amused darüber, Griet bei sich wohnen lassen zu müssen. Das Leben ist hart. Zum Glück hat Griet einen Job im US-Kasino, den ihr ebenfalls der Captain besorgt hat, der ein Auge auf sie geworfen hat. 

Die jungen Frauen fangen wieder an zu arbeiten, müssen mit ihren raren Lebensmittelmarken Nahrungsmittel auftreiben oder sich Waren auf dem Schwarzmarkt ertauschen. Louis ist immer zur Stelle, wenn es brenzlig wird. Techtelmechtel stellen sich ein, zwischen Captain Walker und Griet sowie der korrekten Toni und dem Frauenhelden Louis. Als Bruder Max aus dem Krieg zurückkehrt wird es immer komplizierter. Außerdem wird er Polizist und beobachtet Louis Treiben.

Der Leser wird Teil davon, wie das kulturelle Leben wieder aufblüht. Man will tanzen, zum Münchener Frühlingsfest gehen, humorigen Versen lauschen oder Eislaufen gehen. Diese Szenen sind schön schillernd beschrieben. Man freut sich mit, dass die jungen Leute endlich wieder Spaß haben. Gleichzeitig aber müssen viele Menschen an heftigen Krankheiten sterben, weil es keine Medizin mehr gibt. Lagerinsassinnen sind immer noch stark traumatisiert und müssen sich der Vergangenheit in den Entnazifizierungsprozessen noch mal entgegenstellen und gegen ihre Peiniger aussagen. Nichts wird vergessen. Griets Mantra und die Musik helfen ihr durchzustehen und ihr Geheimnis zu bewahren. Auch dann, als Louis ihr sein Geheimnis erzählt und seine wahre Identität offenbart.

Insgesamt fand ich es sehr interessant, diesmal etwas über die direkte Nachkriegszeit zu erfahren. Wie lebten die Menschen, wie erging es ihnen, welche Schicksalsschläge mussten sie einstecken und wie war das mit der Warenbeschaffung. Dies wird in den ersten beiden Teilen des Buches gut beschrieben. Man erfährt, wie rar die Lebensmittelmarken waren und dass man mit Geld quuasi nichts mehr erwerben konnte. Es gibt Einblicke in den Schwarzmarkt. Und man erfährt von dem Umgang mit displaced persons oder anderen Kriegsgefangenen und Flüchtlingen. Doch die Liebesgeschichten der jungen Leute wird zunehmend wichtiger. Alle träumen vom Weiterleben und der großen Liebe. Sie wollen endlich das Vergnügen, was ihnen in der Kriegszeit nicht möglich gewesen ist. Die Frauen müssen erst noch ihre Erfahrungen machen und werden schließlich immer selbstbewusster und merken, was sie wollen.

Eine schöne Geschichte, wenn sie mir am Ende auch zu wenig historisch war und umso mehr zur kitschigen Glückskindergeschichte wurde. Die Autorin hat sich bemüht, sehr viele Themen der Kriegs- und Nachkriegszeit durch ihre Figuren in die Geschichte einzubinden. Und am Ende gibt es nicht nur Infos zu dem historischen Hintergrund, sondern auch noch Einblicke in das Kochbuch für magere Zeiten, das Toni herstellt.