Rezension

Berührende und ansprechende Geschichte, die in der Münchener Nachkriegszeit spielt

Glückskinder - Teresa Simon

Glückskinder
von Teresa Simon

Bewertet mit 5 Sternen

Griet und Antonia, genannt Toni, sind die weiblichen Protagonistinnen im Roman „Glückskinder“ von Teresa Simon, einem offenen Pseudonym der Autorin und promovierten Historikerin Brigitte Riebe. Die beiden Hauptfiguren haben den Zweiten Weltkrieg überlebt und finden auch in der kargen Nachkriegszeit Arbeit und Liebe. Immer wieder blitzt bei ihnen der Gedanke auf, wie glücklich sie sich im Vergleich zu anderen schätzen können. Die Gestaltung des Covers suggerierte mir den Aufbruch in eine neue Zeit. Wie sich später herausstellt, ist diese zwar geprägt von Hunger, Entbehrung und Wohnungsnot, macht aber auch Hoffnung und gibt Chancen.

Zu Beginn der Geschichte erlebte ich die junge Niederländerin Griet van Mook auf einem Marsch vom KZ Giesing nach Wolfratshausen. Von den Widerständlerinnen weiß zu diesem Zeitpunkt noch keine, dass sie bald darauf von einem US-Trupp befreit werden. Griet hat ihre Angehörigen verloren und mit der Hilfe eines Captains der amerikanischen Besatzer gelingt es ihr, nicht nur eine Stellung in München zu erhalten, sondern auch eine Unterkunft. Sie wird in der Etagenwohnung von Antonia Brandls Großtante, in der neben Toni auch noch Tonis Mutter, ihre elfjährige Schwester sowie eine Tante und deren erwachsener Sohn leben, einquartiert. Tonis Arbeit als Angestellte bei einem Verlag ruht und so widmet sie sich der Aufgabe, das Lebensnotwendige für die Familie zu besorgen. Griet und Toni schätzen zu Beginn ihrer Bekanntschaft einander falsch ein, doch im Zeitablauf entsteht immer mehr Verständnis füreinander und eine besondere Freundschaft.

Die Geschichten laufen parallel zueinander, in den Kapiteln wechselt der Fokus ständig zwischen den beiden jungen Frauen. Ein Prolog zu Beginn des Romans scheint zunächst nicht im Zusammenhang mit den Protagonistinnen zu stehen und machte mich neugierig darauf, welche Verbindung es hierbei gibt. Dank der sehr guten Recherche der Autorin konnte ich viel über die allgemeinen Lebensumstände der Bevölkerung Münchens in den Jahren 1945 bis 1948 erfahren. Gekonnt und ganz natürlich setzt Teresa Simon ihre Figuren in das Umfeld ein, so dass deren Handeln authentisch erscheint.

Beide Frauen sind starke Charaktere und durchsetzungsfähig, aber ohne dabei ihre Mitmenschen zu vergessen. An ihre Seite stellt Teresa Simon Männer, die einen Teil der Bevölkerung symbolisieren. Dan vertritt dabei die Besatzer, durch ihn erhält man Einblick in deren Agieren. Tonis Bruder Max kehrt unter widrigen Umständen nach dem Krieg aus Frankreich nach Hause zurück. Der windige Louis dagegen, weiß die Situation zu nutzen und widmet sich dubiosen Geschäften.

Gerade in den Nachkriegsjahren herrscht Lebensmittelmangel und bittere Kälte, doch die Autorin gibt anhand ihrer Figuren auch die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung untereinander wieder. Ins Augenmerk rückt Teresa Simon den aufgrund der Nöte wachsenden Schwarzmarkt in der Möhlstraße Münchens. Damit sich der Leser selbst ein Bild der Umstände machen kann, sind dem Buch im Anhang Rezepte mitgegeben, die zeigen, wie aus den wenig vorhandenen Lebensmitteln in der Nachkriegszeit Gerichte zubereitet wurden. Es war ebenfalls schwierig für die Bevölkerung, sich auf die neue politische Situation einzustellen. Das Schicksal der politischen Gefangenen, das die Autorin in die Geschichte einflechtet, ist bewegend. Griets Misstrauen gegenüber den Deutschen ist aus der Sicht verständlich.

Mit „Glückskinder“ hat Teresa Simon eine berührende und ansprechende Geschichte geschrieben, die den Leser mitnimmt nach München in die entbehrungsreichen Jahre zur Nachkriegszeit. Durch ein günstig gesetztes Figurenensemble gelingt es der Autor eine Erzählung zu weben, die viel vom historischen Hintergrund durchscheinen lässt und realistisch nachvollziehbar ist. Gerne vergebe ich eine uneingeschränkte Leseempfehlung.