Rezension

Jeder muss sein Glück selbst finden

Glückskinder - Teresa Simon

Glückskinder
von Teresa Simon

Bewertet mit 5 Sternen

"Wir wissen, dass ein Glück, das wir der Lüge verdanken, kein wahres Glück ist." (Heinrich Heine)
München 1945: Der Krieg ist zu Ende, die alliierten Mächte haben ihre Zonen eingenommen. München wird derweil von den Amerikanern besetzt und der Schwarzmarkt boomt, da man für viele Nahrungsmittel anstehen muss. Nylonstrümpfe, Zigaretten, Schokolade und Schmuck werden zu den beliebtesten Handelswaren. Auch Familie Brandl, die inzwischen bei Tante Vev wohnen, müssen sich mit ihrem Schmuck über Wasser halten. Dabei lernt Antonia (Toni) den sonderbaren Louis kennen, der immer wieder Waren beschaffen kann und Tonis Herz erobert. Als eines Tages der Holländerin Griet van Mook in der Wohnung ein Zimmer zugewiesen wird, reagiert Toni mit starker Abneigung. Sie kann ja nicht ahnen, das Griet eine schwere Zeit hinter sich hat, von der sie sich zu erholen versucht. Griet möchte diese Zeit nur noch vergessen und spricht mit niemandem darüber.

Meine Meinung:
In Teresa Simons neustem Roman geht es um zwei junge Frauen, die unterschiedlicher kaum sein können, und trotzdem verbindet sie das Schicksal des Kriegs miteinander. Der Schreibstil ist unterhaltsam, fesselnd, emotional und bewegend in kurzen Kapiteln mit verschiedenen Handlungssträngen dargestellt. München ist nach dem Krieg größtenteils zerstört, der Wohnraum und das wenige, was die Menschen haben, ist knapp. Besonders an Lebensmittel, Kohle und Holz fehlt es an allen Enden. Währenddessen quartieren die Amerikaner zwangsweise Flüchtlinge und ehemalige KZ-Häftlinge in den Häusern und Wohnungen ein, ob es den Bewohnern passt oder nicht. Nachdem die Wohnung der Brandls beim Bombenangriff zerstört wurde, sind sie in Tante Vevs kleiner Wohnung untergekommen. Trotzdem müssen sie eines Tages die Holländerin Griet bei sich aufnehmen, die 1942 im Widerstand gekämpft hat, verhaftet wurde und ins KZ kam. Doch Griets Leben umgibt ein Geheimnis, das sie niemandem anvertrauen kann, zu sehr ist ihre Angst vor den Konsequenzen. Die Ablehnung der Familie Brandl, besonders aber Tonis bekommt sie jeden Tag zu spüren, weshalb sie versucht, den Kontakt zu meiden. Jedoch die Faszination zu dem sonderbaren Louis scheint die beiden Frauen zu verbinden. Werden die beiden je den richtigen Wegen für sich finden, damit sie glücklich werden? Teresa Simon zeigt hier durch ihre gute und reichliche Recherchearbeit, wie schwer die Zeiten in der Nachkriegszeit waren. Nicht nur die ehemaligen Gefangenen und Flüchtlinge mussten leiden und hungern, sondern auch viele Deutsche, die nichts mehr hatten. Die Geschichte von Toni und Griet den beiden Hauptcharakteren, zeigt beide Seiten auf. Ich erlebe den Todesmarsch, bei dem viele Menschen ihr Leben lassen mussten. So bangt auch Griet lange um das Leben ihrer Freundin Leni, die schwer krank ist. Viele der Gefangenen möchten so schnell es geht nach Hause, doch Griet hat kein zu Hause mehr, weshalb sie nach München möchte.  Die Autorin greift in dieser Geschichte alles an historischen Gegebenheiten auf, sei es die Besatzungsmächte, Entnazifizierung, die Nürnberger Prozesse, Schwarzmarkt und die Währungsreform der D-Mark. Ich erlebe das Leid, die Armut und den Hunger der Menschen die eigentlich nur eines wollen den Frieden. Ebenso zeigt es das Bangen um die Männer, die noch inhaftiert oder gar im Krieg gefallen sind. Dabei konnte mich besonders die quirlige, natürliche und unkomplizierte Toni überzeugen, ebenso wie die traumatisierte, verschlossenen und distanzierte Griet. Gut gefallen hat mir auch der sympathische, fürsorgliche Captain Walker und der selbstbewusste, motivierte Max. Jedoch der verwegene, unnahbare Louis dagegen blieb für mich weitestgehend rätselhaft. Ich kann dieses Buch nur jedem empfehlen, da es einen guten Einblick in die deutsche Nachkriegszeit vermittelt und gebe 5 von 5 Sterne.