Rezension

Erwachsen werden unter erschwerten Bedingungen

Die Freundinnen vom Strandbad (Die Müggelsee-Saga 1) -

Die Freundinnen vom Strandbad (Die Müggelsee-Saga 1)
von Julie Heiland

Bewertet mit 3.5 Sternen

3,5 Sterne

Passend zum Titel habe ich das erste Viertel des Buches im Freibad gelesen. Der Beginn versprüht auch richtige Sommer-Vibes, und zu diesem Zeitpunkt - 1956 - ist das Leben der Freundinnen auch noch weitgehend unbeschwert. Der Krieg rückt langsam in die Ferne, die Menschen haben wieder genug zu essen und die Kinder können in die Schule gehen und von einer glücklichen Zukunft träumen.

Zeitsprung zu 1960: aus den Mädchen sind Teenager geworden, die von Jungs schwärmen oder sich ausmalen, was sie einmal werden wollen. Doch so langsam wird ihr Leben und auch das Buch immer ernster. Die Repressalien, die einige DDR-Bürger schmerzlich zu spüren bekamen, wurden am Beispiel von Clara auf bedrückende Art und Weise geschildert. Ihre Familie will sich nicht gleichschalten lassen, weshalb ihr Vater nicht in der Partei und sie nicht in der Jugendorganisation FDJ ist. Bei jeder Gelegenheit lässt man sie spüren, dass das eine falsche Entscheidung ist. Bei all der Gängelung, die sie dadurch von Schule und Stasi erfährt, ist es ja kein Wunder dass so viele Menschen dieses Land verlassen, dachte ich mir. Man kann doch nicht jemand die komplette Lebensgrundlage wegnehmen, und dann erwarten dass er das einfach so hinnimmt. Zumindest nicht, solange es noch eine Alternative gibt wie vor dem Bau der Berliner Mauer im August 1961.

Ich bin selbst in der DDR aufgewachsen, habe in den 80ern aber gänzlich andere Erfahrungen gemacht als die drei Freundinnen in diesem Buch. Sicherlich weil die Situation lockerer geworden ist (es wurde niemand mehr 'gejagt' weil er West-Fernsehen geschaut hat), andererseits auch weil hier im Buch komplette Extreme dargestellt wurden. Eine Stasi-Familie mit Walter Ulbricht Foto an der Wohnzimmerwand und eine, die sich aus allem staatlichen raushalten will und dafür geächtet wird. Und mittendrin eine Mutter, die sich mittels Alkohol dem Alltag und seinen Sorgen entzieht.
Mir waren keine dieser Lebensstile persönlich bekannt, und ich fände es ein bisschen schade, wenn viele LeserInnen nach dem Buch glauben würden, es hätte ein 'normales' Leben in der DDR gar nicht gegeben sondern nur diese Extreme. Dem war glücklicherweise nicht so, allerdings hätte ich gern meiner Mutter - die ebenfalls in den 50ern und 60ern aufwuchs - das Buch zum Lesen gegeben und sie nach ihren Erfahrungen von damals befragt. Schade, dass das nicht mehr geht.

Mein Fazit: Es ist unbestritten ein spannender Roman, auch wenn man viele Dinge weit im vorhinein erahnen kann (die Geheimnisse, die Martha 'aufdeckt' oder auch Bettys Geheimnis gegen Ende hin). Dennoch will man natürlich wissen, wie sich die Dinge für die drei Mädchen fügen werden, denn ich fand alle drei sympathisch und hatte sie schnell in mein Herz geschlossen. Und der Berliner Dialekt war für mich ein netter Bonus, der lockert selbst in ernsten Situationen einiges auf und ich finde es immer schön, meinen Heimatdialekt zu lesen.