Rezension

Hochspannung garantiert!

Roter Mond - Benjamin Percy

Roter Mond
von Benjamin Percy

Der amerikanische Autor Benjamin Percy ist mir zum ersten Mal durch sein mit zahlreichen Preisen ausgezeichnetes Debüt „Wölfe der Nacht“ aufgefallen, eine verstörende Vater-Sohn-Geschichte, die in den Wäldern des amerikanischen Bundesstaates Oregon, der Heimat Percys, spielt.

Mit seinem neuesten Roman versucht er sich nun in einem komplett anderen Genre, ein Trend, der bei vielen seiner Schriftsteller-Kollegen um sich greift. „Roter Mond“ spielt in den USA und zeichnet das Bild einer apokalyptischen Gesellschaft, in dem es nur so von Werwölfen wimmelt. Diese „Lykaner“ sind mit einem Krankheitserreger infizierte Menschen, deren Zustand von staatlicher Seite durch die verordnete Einnahme von suchterzeugenden Medikamenten weitestgehend kontrolliert wird. Diese Überwachung und Diskriminierung geht einer radikalen Gruppe zu weit, und so beschließen sie durch einen terroristischen Akt - einem Anschlag auf ein vollbesetztes Flugzeug - ein Zeichen zu setzen.

Der Leser verfolgt die Ereignisse aus den Perspektiven der drei Hauptfiguren, die in unterschiedlichen und klar abgegrenzten Erzählsträngen geschildert werden: Patrick Gamble, ein junger Mann und der einzige Passagiere, der wie durch ein Wunder den Flugzeugabsturz überlebt und daraufhin als nationaler Held gefeiert wird. Wachgerüttelt durch dieses einschneidende Erlebnis will er eigentlich gegen die Lykaner kämpfen, wenn da nur nicht die Liebe zu Claire wäre, denn sie ist ebenfalls mit dem Virus infiziert.

Claire Forrester ist zwar auch eine Lykanerin, kann sich aber mit den rebellischen Genossen ihrer Art nicht identifizieren. Angepasst und unauffällig möchte sie mit ihrer Familie ein normales Leben führen. Dass dieser Wunsch eine Illusion ist, merkt sie spätestens, als Vertreter der Regierung ihr Elternhaus stürmen und ihre gesamte Familie getötet wird. Sie kann gerade noch entkommen und ist seither auf der Flucht.

Chase Williams, ein Politiker, der sich vor allem durch seinen gnadenlosen Umgang mit den Lykanern einen Namen gemacht hat, strebt nach dem höchsten Amt im Staat. Sein Lebenstraum gerät in Gefahr, als er entdeckt, dass er sich unbemerkt angesteckt haben muss. Also muss er alles daransetzen, das Geheimnis zu bewahren und mit seinem Selbstekel fertig zu werden.

Im Verlauf der Handlung spitzt sich die Lage immer mehr zu, und alles steuert auf eine Katastrophe hin, die dann eintreffen wird, wenn der rote Mond am Himmel steht.

Percy hat mit „Roter Mond“ eine düstere Werwolf-Geschichte geschrieben, die aber durchaus verschiedene Lesarten zulässt, denn gleichwohl kann man politische Bezüge herstellen. Das Verhalten gegenüber den Lykanern in diesem Buch ist dem Umgang der traumatisierten US-Bürger mit unliebsamen und gefürchteten Minderheiten durchaus vergleichbar.

Ein spannendes Szenario, das Benjamin Percy hier entwirft. Von Beginn an ist der Leser mitten in der Geschichte und verfolgt das Schicksal der beiden sympathischen Protagonisten Patrick und Claire, die beide erst lernen müssen, sich in einer Welt zurechtzufinden, die in Gewalt und Anarchie zu versinken droht. Die actionreichen Szenen dominieren die Handlung, wenngleich es auch immer wieder Momente der Reflexion gibt, in denen man das Gelesene sacken lassen kann. Sowohl Sprache als auch Stil sind düster und dem Plot angemessen, der auch vor blutigen Schilderungen nicht zurückschreckt.

Man merkt jeder Zeile an, dass der Autor schreiben und eine fesselnde Geschichte konstruieren kann. Und so beschert er auch Lesern, die üblicherweise nicht zu Horror-Thrillern greifen, hochspannende Unterhaltung.