Rezension

Djoko

Das einzige Kind -

Das einzige Kind
von Hera Lind

Bewertet mit 3 Sternen

„Das einzige Kind“ ist ein „Roman nach einer wahren Geschichte“. So ist es auf dem Cover abgedruckt, das eine in dem Buch beschriebenen Szene um den kleinen Djoko nachstellt. In der Vorbemerkung der Autorin lese ich, dass ich hier ein Buch vor mir liegen habe, das zum Teil auf wahren Begebenheiten beruht. Es behandelt typisierte Personen, also standardisierte, vereinheitlichte Personen. Weiter lese ich, dass es einen Anspruch auf Faktizität nicht erhebt, die Wirklichkeit also nicht unbedingt abbildet. Der Text erschöpft sich nicht an der Abbildung realer Personen, es ist eher eine zweite Ebene, Wahrheit und Fiktion verschwimmen. Dies sollte einem schon klar sein, wenn man sich in die Leidensgeschichte um den zu Anfang vier- oder fünfjährigen Djoko einliest.

Und es ist eine Leidensgeschichte, die der kleine Mann schon in jungen Jahren über sich ergehen lassen musste. Die rasende Wut seiner Mutter legt sich über seine ersten Jahre und wäre sie nicht irgendwann erschöpft gewesen, hätte sie ihn halbtot geschlagen. Dies ist mein erster Eindruck und ich bin entsetzt. Ja, die Prügelstrafe war zu dieser Zeit – wir sind im ehemaligen Jugoslawien im Jahre 1940 – nicht verpönt, sie galt als erzieherische Maßnahme. Sein Leiden war aber beileibe nicht auf die unausgeglichene Mame, wie er seine Mutter nennt, begrenzt. Er wird durch die Kriegswirren, die auch seine Heimat nicht verschont, verletzt, schwer verletzt. Und kämpft und beißt sich durch, seine Eltern sind mittlerweile tot, er steht ganz alleine da. Und – bekommt immer wieder von Fremden Hilfe, er wird sogar in einem Regiment als „kleiner Soldat“ ausstaffiert und jeder sieht dies als selbstverständlich an.

Die Welt um Djoko ist grausam. Ja, Krieg ist grausam und das bildet die Autorin schon ab, immer Djoko im Mittelpunkt. Da geht es beispielsweise um eine Vergewaltigung, die den Kameraden angezeigt wird und alle sind sie empört, mutieren zu Gutmenschen. Auch trifft Djoko nur auf mitfühlende, wohlmeinende Menschen, die in allesamt adoptieren wollen. Sofort klappt es reibungslos – ohne jegliche Papiere und fernab der Heimat. Hier habe ich nicht das erste Mal mit dem Kopf geschüttelt, mich in einer Märchenstunde gewähnt. Auch ist es wenig glaubhaft, dass man sich nach achtzig Jahren so detailliert erinnern kann, was einen als Vierjährigen und einige Jahre danach passiert ist. Sicher bleibt einiges hängen, vor allem dann, wenn das Leben so hart war und man fürs Überleben ständig kämpfen musste. Und Djoko war eine Kämpfernatur.

Hera Lind hat einen sehr einnehmenden, gut zu lesenden, unterhaltsamen Erzählstil. Auch wenn sie von den Grausamkeiten rund um den Zweiten Weltkrieg berichtet, so habe ich ihren Roman als kurzweilig empfunden. Habe mich über so manche Figur echauffiert, andere ins Herz geschlossen und sehe dieses Buch eher als Zeitzeugnis. Denn dass Kinder, Erwachsene, Alte, unter dieser schrecklichen Zeit unendlich gelitten haben, ist unbenommen. Und dass beileibe nicht alle Männer in den Krieg gezogen sind und "hurra, endlich darf ich für meinen Führer kämpfen" gejubelt haben, ist auch klar. Und dennoch bleibt der fade Beigeschmack, dass dieser eher fiktive Roman als „wahre Geschichte des kleinen Djoko“ vermarktet wird.