Rezension

Jahreshighlight

Das Reich der Vampire 1 -

Das Reich der Vampire 1
von Jay Kristoff

Bewertet mit 5 Sternen

Es fällt mir etwas schwer, meine Eindrücke in Worte zu fassen, denn vieles, das mir hier gefallen hat, hat vor allem meine Gefühlsebene angesprochen. Kennt ihr das? Dieses Herzklopfen und die Aufregung, wenn man beim lesen der ersten Sätze eines Buches schon merkt, ja, das wird richtig gut? Genau so erging es mir. 

Der Roman hat so viele Dinge, die mir einfach so gut gefielen. Allem voran eine sehr düstere, zum Teil blutig brutale Geschichte, eine gebrochene Hauptfigur, die in bester Interview mit einem Vampir Manier die Geschichte vorantreibt. Spannend und abwechslungsreich, Stück für Stück enthüllt sich eine Geschichte, in die ich jederzeit mit Leichtigkeit eintauchen konnte. Ich war Gabriel und habe mit ihm gekämpft, seinen Zorn gespürt, aber auch die wenigen Momente des Glücks und der  Liebe mit ihm geteilt. 

Nach und nach entfaltet sich ein ganzes Leben und doch ist dies erst der Anfang einer Reihe. Daher bleiben manche Fragen offen, doch andere werden tatsächlich auch beantwortet, sodass eher die Neugier bleibt, wie es wohl weiter gehen wird, aber auch genug Wissen gefestigt wurde, um Gabriel als Person sehr gut kennenzulernen. Diese Welt voller Dunkelheit, in der die Sonne nicht mehr aufgeht. Aber auch die Gesellschaft, in der Gabriel sich bewegt. 

Wie man es von Jay Kristoff auch bei Nevernight gewohnt ist, kann man sich nie sicher sein, welcher der Figuren man vertrauen kann und welche zu Verrat und Lüge fähig ist. Ich liebe diese Ambivalenzen, die einerseits dafür sorgt, das die Charaktere umso lebendiger wirken, aber eben auch dadurch eine unterschwellige Spannung aufbaut. 
Im ersten Moment wirkte die Erzählweise etwas episodenhaft, aber nach und nach fügt sich alles immer stärker zu einer Geschichte zusammen. Zudem versteht man auch im weiteren Verlauf immer besser, weshalb Gabriel das Ganze so erzählt und warum er die Reihenfolge bestimmen möchte. Und da wäre dann ja noch das ein oder andere, dass er bewusst ausspart und sogar versucht, manches ganz weit hinten in seinem Gedächtnis zu verstecken, weil er sich diesen Erinnerungen lieber nicht stellen möchte ... 

Und dann wären natürlich noch Lieblingsfiguren, die sich ganz und gar in mein Herz geschlichen haben. Und in Gabriel bin ich jetzt sowieso verliebt. Ein diverser Cast rundet das Ganze für mich noch perfekt ab. 

Im Mittelpunkt stehen neben den Vampiren und dem Orden, dem Gabriel angehört, die Frage nach Religion und vor allem der Kritik am Christentum im Allgemeinen. Das ist auch kaum verhüllt und ehrlich gesagt fast schon zu übertrieben offensichtlich daran angelehnt. Ich fand es aber spannend, wie das Ganze mit Vampirismus und den christlichen Vorstellungen von Glaube und Treue gegenüber einem Gott und den damit verbundenen Verpflichtungen verknüpft wurde. Einiges erinnert an Kreuzzüge und Vorstellungen über die Tempelritter der Suche nach dem Heiligen Gral. Anderes hinterfragt einfach generell religiöse Dogmen und das eben davon vieles vor allem von Menschenhand gemacht ist und daher auch menschlichen Moralvorstellungen und dem Streben nach Macht geschuldet ist. 
Was mir daran gefiel war auch, das bei aller Kritik trotzdem ein Punkt bleibt, bei dem ich als Leserin mir selbst überlegen konnte, ob ich manche Dinge positiver sehen möchte als Gabriel oder eher seiner Linie folge. Manchmal ging es vor allem darum, die Beweggründe aller Seiten zu verstehen und nicht immer kann man sich wirklich für eine entscheiden. Selbst so mancher Vampir, so manche Vampirin birgt Überraschungen in sich.

Selten passiert es mir, dass ich nicht genau weiß, wohin mich eine Geschichte noch führen wird. Hier ist das der Fall und alleine das lässt sich bangend und zitternd auf den nächsten Band warten. Aber auch große Vorfreude fühlen. 

Für mich ein absolutes Jahreshighlight und Lieblingsbuch!