Rezension

Hier bekommen dicke Menschen unfreiwillig ihr Fett weg

Die Kälte in dir - Oliver Kern

Die Kälte in dir
von Oliver Kern

Der Sommer hat Stuttgart fest in seinem Griff und lässt die ganze Umgebung gnadenlos schwitzen. Natürlich hat auch die Polizei mit der Schwüle zu kämpfen, deren Reserven sowieso schon auf Sparflamme laufen, da viele Kollegen den verdienten Urlaub angetreten haben. Für die „Soko Hitze“, welche sich mit einem Serientäter befassen muss, der es vordergründig auf das Bauchfett seiner Opfer abgesehen hat, bekommt die Kommissarin Kristina Reitmeier deshalb Unterstützung aus der Landeshauptstadt und muss ihre Führung murrend abgeben. Dabei ist die gebürtige Münchnerin gerade sowieso etwas angefressen, weil sie ihren Führerschein wegen erneuter Raserei für drei Monate abgeben muss und damit ein Stück Freiheit einbüßt. In ihren Augen ist es wie Hohn, dass der eigentlich suspendierte Daniel Wolf den Chauffeur für sie spielen soll, zumal der noch in Ausbildung stehende Kollege einen Alleingang nach dem anderen wagt und damit die ganzen Ermittlungen und sein eigenes Leben in Gefahr bringt.

Oliver Kern hat mich mit dem ungewöhnlichen Motiv seines Täters und der verheißungsvollen Überschrift „Des Wahnsinns fette Beute“ sofort für sich einnehmen können. Es ist schließlich nicht mehr so leicht eingefleischte Thriller-Fans zu erstaunen, doch die Entnahme des Bauchfetts als eine Art Souvenir und gleichzeitig Lebenselixier war eine dicke Überraschung. Eben dieser Punkt ist aber auch an Kritik geknüpft, denn durch das Motiv, welches sich nur schwierig in die Realität eingliedern lässt, wirkte der ganze Tathergang etwas konstruiert und erinnerte an einen futuristischen Frankenstein, der im dunklen Keller an Lipiden herumtüftelt. Doch für den Autor war dieser Handlungsstrang nicht genug, denn er lässt die Protagonisten auch noch in die Fänge der russischen (Müll-) Mafia geraten, was für das friedliche Schwabenland leider an Glaubwürdigkeit verlor und mich die ohnehin schon verzweigte Story nicht erreichte.

Es bleibt abzuwarten, ob und inwieweit das berufliche Pärchen in weiteren Fällen noch harmoniert, sofern sie für ihre Regelwidrigkeiten nicht allzu hart bestraft werden. Die häufigen Einsätze auf eigene Faust sind zwar gut für die Spannung, aber ohne jegliche Absicherung leider ziemlich dämlich, sofern man an seinem Leben hängt. Insgesamt waren Daniel und Kristina aber ein solides Duo, wenngleich sie sich angewöhnen sollten ein Telefonat zeitnah anzunehmen, das würde viel Ärger ersparen.

Das Finale erinnerte mich dann unweigerlich an „Shining“, wobei die Dramatik die durch die Einkesselung der Protagonisten aufgebaut wurde auch hier für meinen Geschmack zu überspitzt war, aber seinen Effekt nicht verfehlte. Wenigstens war der Schreibstil dagegen gleichbleibend gut und angenehm zu lesen, sodass im Wusel der vielen Rückschläge im Präsidium dort der Ruhepol lag. „Die Kälte in dir“ würde ich auf Grund des Fokus auf die Ermittlungsarbeit eher als eine Mischung von Krimi und Thriller bezeichnen – und nun ran an den (Bauch-) Speck.