Rezension

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Geniales Krimidebüt

Wiener Totenlieder - Theresa Prammer

Wiener Totenlieder
von Theresa Prammer

Bewertet mit 5 Sternen

Schöner Sterben in Wien...Das Phantom der (Wiener) Oper

Carlotta Fiore ist die Tochter des weltberühmten Opernstars Maria Fiore. In ihrem Leben hat sie schon mehrere Stationen auf der Suche nach dem richtigen Beruf hinter sich; An der Opernsängerin ist sie aufgrund von mangelndem Talent gescheitert, die Polizeikarriere konnte sie gar nicht erst beginnen, da sie an der Aufnahmeprüfung scheiterte und als Kaufhausdetektivin schuftet sie Tag für Tag in dem selben kleinen Kämmerlein und kümmert sich um ein und die selbe Ladendiebin Henriette. Ihr Leben ändert sich schlagartig, als ihr Ex Hannes auftaucht und ihr einen Undercovereinsatz als Statistin an der Wiener Oper anbietet, denn dort treibt seit kurzem ein Mörder sein Unwesen, der während den laufenden Vorstellungen Künstler tötet. Sie trifft auf ihren Partner Konrad, einen ehemaligen Polizisten, der aufgrund seiner tragischen Vergangenheit seinen Job bei der Mordkommission verloren hat. Seine Tochter Julia wurde als Vierjährige entführt und bald darauf für tot erklärt. Zusammen steigen sie ein in die Welt der Wiener Oper mit all ihren Facetten, den schillernden sowie den geheimnisvollen und gefährlichen. Weitere Morde geschehen, ein Solist und eine Souffleuse werden getötet, die Polizei tappt weiterhin im Dunkeln. Carlotta und Konrad erfahren hinter der Bühne immer mehr Details und durch den Mord an einem weiteren Mann gerät sogar Carlotta unter Verdacht, da sie zuvor bei einem Streitgespräch mit ihm beobachtet wurde. Es tauchen immer mehr Hinweise auf, doch niemand kann sie zuordnen und in die logische Reihenfolge bringen. Fanny, ein kleiner Star an der Oper, verrät Lotta und Konrad wichtige Informationen über die Direktorin der Oper, Susu. Währenddessen wird Hannes von Lottas One-Night-Stand Sven beinahe umgebracht, da dieser zu tiefst gekränkt von Lotta ist, da diese vorgab verheiratet zu sein. Hannes überlebt schwer verletzt und Konrad plagen Erinnerungen über seine verschwundenen Tochter. Letztendlich stell sich heraus, dass Carlotta von der Solistin Katharina vor vielen Jahren entführt worden ist, mit Hilfe ihrer vermeintlichen Mutter Maria. Ihre eigene Tochter war nicht geschaffen für Auftritte in der Öffentlichkeit, sodass sie diese in einer Nervenanstalt versteckte und stattdessen Julia als ihre Tochter aufzog. Die wahre Carlotta ist die Ladendiebin Henriette, die immer noch in einer Nervenheilanstalt lebt. Am Ende des Buches bekommen Hannes und Julia (Carlotta) ein Kind, das sie Konrad nennen, in Ehren an Konrad, Julias (Carlottas) leiblichen Vater, der bei dem Undercovereinsatz tödlich verletzt wurde. Jedoch wird im letzten Satz auch erwähnt, dass der Vater aus dem Koma erwacht sei, was für mich unlogisch klang, da zuvor erwähnt wurde er wäre gestorben.

Der Schreibstil der Autorin Theresa Prammer ist eindringlich und spannend. Sie schildert die Handlung aus verschiedenen Erzählperspektiven, sowohl durch eine Ich-Erzählerin (Carlotta) sowie mehrere auktoriale Er- bzw. Sie-Erzähler. Die Perspektivenwechsel ermöglichen dem Leser einen Einblick in die Gedanken und Gefühle der anderen Personen, vor allem weil hier seitens der Autorin sehr stark mit inneren Monologen gearbeitet wurde. Die tragischen Erinnerungen an die Albträume der jungen Julia/Carlotta wurden zwischen den Kapiteln, abgesetzt durch kursive Schriftgestaltung, eingefügt. Sie erzählen im inneren Monolog Julias/Carlottas von ihren Albträumen als Kind, und streuen so dem Leser schrittweise Hinweise auf ihre wahre Identität. Die Autorin schafft es hier den Leser auf die richtige Fährte zu führen, ohne dabei jemals an Spannung zu verlieren, aber auch falsche Hinweise werden gestreut um den Leser auf die falsche Fährte zu führen. Dies unterstütz den Spannungsbogen natürlich enorm und auch die Liebesgeschichte zwischen Carlotta und Hannes wirkt spannungsfördernd. Es passieren immer wieder Handlungen und Aktionen, die so nicht zu erahnen gewesen sind und es entsteht eine Art Überraschungseffekt. Dieses Buch ist einer enorme Abwechslung gegenüber anderen Kriminalromanen, in denen man schon nach drei Kapiteln weiß wer der Mörder ist. Über das Ende war ich überrascht, jedoch hatte ich auch einen leisen Verdacht gehabt.
Die Bühnenerfahrung der Autorin fließt gekonnt ins Geschehen ein und die Abläufe auf und hinter der Bühne werden sehr realistisch geschildert. Wien als Schauplatz eines Krimis ist gewagt, jedoch hätte die Autorin es nicht besser lösen können. Wer einmal in Wien war wird sich sofort in die Schauplätze hineinversetzen können und wieder ins Schwärmen geraten. Die Darstellungen an der Oper fand ich jederzeit nachvollziehbar bis in die kleinste Nebenhandlung und in keinster Weise gekünstelt. Jedoch passiert es aus Sicht des Lesers leicht in Verwirrung zu geraten, da das Erzähltempo doch sehr rasch gehalten ist und man aufpassen muss gedanklich folgen zu können. Schafft man dies jedoch, ist "Wiener Totenlieder" ein Kriminalroman der keiner Wünsche des Lesers offen lässt. Theresa Prammer ist hier ein erstklassiges Debüt gelungen und kann sich in die Reihe mit namhaften Autoren nahtlos einfügen.
Die einzige Verwirrung meinerseits kam im letzten Satz zu Stande, indem es heißt Carlottas/Julias Vater sei aus dem Koma erwacht. Meiner Meinung nach wurde der Leser zuvor im Glauben gelassen Konrad sei aufgrund seiner schweren Verletzungen verstorben. Ich hoffe diese Frage wird sich spätestens im Nächsten Krimiband von Theresa Prammer klären, da ich gelesen habe, dass daraus eine Reihe entstehen soll. Ich kann diesen Kriminalroman nur empfehlen, vor allem wenn man etwas sucht, das nicht sehr dem Mainstream entspricht und spannend bis zur letzten Minute ist.

UPDATE:

Mittlerweile habe ich via Facebook Kontakt zur Autorin aufgenommen und sie hat mir versichert, dass Kondrad noch lebt und dass es noch einen weiteren Teil der Wiener Totenlieder geben wird ;)