Rezension

Spannende Spurensuche in der Familiengeschichte

Saubere Zeiten -

Saubere Zeiten
von Andreas Wunn

Bewertet mit 3 Sternen

Jakob Auber, Journalist in Berlin und Enkel eines ehemals reichen Waschmittelfabrikanten, fährt zu seinem im Sterben liegenden Vater nach Hause in seine alte Heimat Trier. Der Kontakt ist seit Jahren lose, die Mutter tragisch früh verstorben,  die Verhältnisse innerhalb der Familie von Sprachlosigkeit geprägt. Über das Vermächtnis seines Vaters wird er mit der Geschichte seiner Familie im Dritten Reich, der Nachkriegszeit und der Zeit des Wirtschaftswunders konfrontiert. Er macht sich auf Spurensuche und taucht ein in eine Geschichte aus Opportunismus und Verdrängung, Aufstieg und Niedergang, Schuld und Sühne, Liebe und Verlust und kommt dunklen Geheimnissen auf die Spur.

Der Roman ist spannend geschrieben und eng verbunden mit der deutschen Geschichte in den 30er bis 50er Jahren. Nach anfänglicher Begeisterung wurden meine hohen Erwartungen leider nicht ganz erfüllt. Die Dialoge empfand ich häufig als platt und inhaltsleer. Der Protagonist und sein ständiger Alkoholkonsum wurden mir im Verlauf des Buches immer fremder und seinen besten Freund Ben empfand ich als oberflächlich und unsympathisch. Umso gelungener fand ich die Zeichnung seines Vaters Hans, der mir sehr ans Herz wuchs und dessen Schmerz und Einsamkeit ich sehr gut mitfühlen konnte.

Das Vorgehen von Jakob Auber bei seinen Nachforschungen erscheint mir erstaunlich unstrukturiert für einen studierten Journalisten. Er geht nur die Dokumente im Archivzimmer des Vaters durch und stellt keine weiteren Recherchen an. Ich hätte erwartet, dass er über Behörden, die örtliche jüdische Gemeinde und offizielle historische Archive zumindest versucht, mehr darüber herauszufinden, was mit dem Ehepaar Stein passiert ist und wie die genauen Umstände der Enteignung waren. Auch dass er die Schlüsselfigur Bella nicht googelt oder telefonisch kontaktiert oder überhaupt in Erfahrung bringt, ob sie noch lebt, bevor er nach Rio fliegt, wirkt auf mich etwas seltsam. 

Die Geschichte ist in Teilen sicher die Geschichte vieler Familien im Deutschland der damaligen Zeit. "Saubere Zeiten" greift die Schatten der Vergangenheit gekonnt auf, bleibt aber stellenweise zu sehr an der Oberfläche. Ich hätte mir manchmal noch mehr Tiefgang gewünscht und auch einen ausführlicheren und tiefer gehenden Austausch zwischen Jakob und Bella. 

Der Roman bietet insgesamt eine interessante und lesenswerte Geschichte, die zum Nachdenken anregt und mich dazu gebracht hat, über meine eigene Familie und das, was letztlich bleibt, zu reflektieren.