Rezension

"Einsamkeit ist keine Farbe und auch nie nur ein Moment."

Saubere Zeiten -

Saubere Zeiten
von Andreas Wunn

Bewertet mit 5 Sternen

Spurensuche!

Einer der Sätze aus dem Roman „Saubere Zeiten“ von Andreas Wunn, die mich mit am meisten beeindruckt haben. Und einsame Menschen findet man in dem Roman genügend: den Erzähler Jakob Auber, dem die Mutter schon als kleines Kind verloren ging und der damit auch den Vater irgendwie verloren hat, der seine Beziehung verliert und auch seine zwei ältesten Freunde, Ben und Theresa. Und auch sie wirken sehr einsam in ihrem Leben. Er findet – auf der Spurensuche nach seiner Familiengeschichte – Bella, die auch sehr einsam in Brasilien lebt, sie hat ihren Sohn verloren und lange Zeit zuvor schon ihre Eltern und ihre Heimat. Und kaum hat er sie gefunden, da verliert er auch sie schon wieder. Diese Einsamkeit scheint sich von Generation zu Generation zu vererben. Ob es Jakob gelingt, seinen eigenen Sohn davor zu bewahren?

Als sein Vater stirbt, hinterlässt er dem Erzähler ein Zimmer voller Erinnerungen, voller Tagebücher des Großvaters und voller eigener Tonbandaufnahmen. So erfährt Jakob Hintergründe zu Aufstieg und Niedergang seines Großvaters, dem großen Waschpulvererfinder von „Auber macht sauber“, von der Jugend seines Vaters Hans und von Bella, die auf vielfältige Weise mit den Aubers verbunden ist. Er beginnt diese Geschichte aufzuschreiben, um auch die eigene Geschichte besser zu verstehen.

Zweimal nennt der Erzähler seinen eigenen Vater einen guten Erzähler mit dem Blick für das Detail. „Zwar verzichtete er auf Adjektive und jede Art von Ausschmückung, aber wenn er zum Beispiel von Bella erzählte, gelang es ihm, sie vor meinen Augen erstehen zu lassen.“ Mit diesem Satz lässt sich auch der Erzählstil des Autors gut beschreiben. Er erzählt schlicht und leise, aber sehr nachdrücklich. Er lässt viel Platz für die eigenen Gedanken und Gefühle des Lesers und erschafft mit seiner Geschichte einen Sog, dem sich der Leser kaum entziehen kann. Er begibt sich mit dem Erzähler tief in die Geschichte seiner Familie und erlebt sie mit ihm, er lernt viel über ihn und über sich, aber vor allem, dass es kein Waschmittel gibt, dass, auch wenn es noch so sauber macht, die Geschichte reinwaschen kann und dass diese Geschichte, die Menschen prägt, ob sie von ihr wissen oder nicht, seil sie -wie Bella sagen würde – in ihren Körpern ist: „Alles, was wir tun, und alles, was wir sehen, und alles, was wir hören ist in unserem Körper. Das Leid und die Freude. Die Liebe und da Glück. Und auch das Grauen. Es ist alles in uns drin. Es bleibt alles in uns drin. Und wir müssen lernen, damit umzugehen. Und auch mal was rauszulassen.“