Rezension

Ein Roman, der Privates mit israelischer Geschichte und Haltungen der israelischen Gesellschaft verbindet

Schicksal -

Schicksal
von Zeruya Shalev

Bewertet mit 4.5 Sternen

»Atara ist zum zweiten Mal verheiratet, mit ihrer großen Liebe, doch neuerdings scheint Alex sich immer weiter von ihr zu entfernen. Noch größere Sorgen macht ihr der gemeinsame Sohn, ein Elitesoldat, der nach seinem letzten Einsatz kaum mehr das Haus verlässt. Vielleicht, um ihre Familie besser zu verstehen, vielleicht, um ihr zu entkommen, sucht Atara Rachel auf, die erste Frau ihres Vaters, das große Tabu in Ataras Kindheit … Die Idealistin Rachel scheint eine ferne, geheimnisvolle Vergangenheit zu verkörpern – sie kämpfte mit dem Vater in der Untergrundmiliz gegen die Engländer und für einen israelischen Staat. Doch die Begegnung der beiden Frauen zieht eine Katastrophe in der Gegenwart nach sich …«

So der Klappentext von Zeruya Shalevs neuem Roman »Schicksal«; der Verweis auf die Katastrophe ist so nicht korrekt; das, was hier »Katastrophe« genannt wird, geschieht an einem anderen Ort, während sich die beiden Frauen treffen, und vielleicht hätte Atara es verhindern können, wenn sie nicht zu Rachel gefahren wäre … Vielleicht! Ob sie es hätte verhindern können, bleibt unklar.

In der Handlung des Romans wechseln sich Erzählungen aus der Perspektive Ataras und Rachels ab, wobei die Passagen aus Ataras Sicht umfangreicher sind. Sie reflektiert über ihre Beziehung zu Alex, über die Beziehung zu ihren Kindern und darüber, was die Trennung von ihrem ersten Mann in deren Entwicklung bedeutet hat, über ihren hochproblematischen Vater Menachem Rubin, der mit 91 Jahren gestorben ist und, so kann man als Leser oder Leserin vermuten, für einiges in den Ambivalenzen der Beziehung zwischen Atara und Alex verantwortlich ist.

Für Rachel war Menachem (»Meno«) die große Liebe, und möglicherweise hat sein Fehlen in Rachels zweiter Ehe weitergewirkt. Rachels Gedanken kreisen um die (im Klappentext skizzierten) Erlebnisse mit Meno, um das Verhältnis, das sich danach zu ihrer Familie ergab, und um ihre beiden Söhne, deren einer, Rachels Haltung widersprechend, ein Chassid in der Tradition Nachmans von Bratzlaws geworden ist, während der andere Rachels Haltung pro israelische Siedlungen ablehnt. (Der Chassidismus ist eine aus dem Ostjudentum kommende mystische jüdische Bewegung, begründet von Israel ben Elieser [1700–1760], dem »Baal-schem-tow [Meister des guten Namens]; Nachman von Bratzlaw war dessen Urenkel.)

Zeruya Shalevs Roman verbindet Privates und Politisches, zeigt im Privaten verschiedene Haltungen der israelischen Gesellschaft. Ich mag grundsätzlich in Romanen umfassende Selbstreflexionen der Figuren weniger – andere mögen so etwas mit Genuss lesen –, doch bei Shalev wurde es mir erst gegen Ende etwas viel; zudem hätte ich lieber mehr Erzählungen aus Rachels Sicht gelesen; aber das ist subjektiv und »Geschmackssache« und ist kein Einwand gegen diesen Roman, den ich insgesamt sehr gerne gelesen habe.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 17. Oktober 2021 um 17:42

Na, dann ist es ja gut ! ;-).