Rezension

Seelische Verletzungen folgen Dir durch das Leben.

Schicksal -

Schicksal
von Zeruya Shalev

Der Roman handelt von der inzwischen ca. 90-jährigen ehemaligen Widerstandskämpferin Rachel und der Tochter Atara ihres ersten Mannes Meno. Wir bekommen durch Rückblenden Ausschnitte aus den Leben der beiden Personen erzählt. Atara möchte nach dem Tad ihres Vaters seine erste Frau kennenlernen und versucht mit ihr Kontakt aufzunehmen, um eventuell ungeklärte Fragen beantwortet zu bekommen. Nach einem kurzen Besuch bei Rachel überschlagen sich die Ereignisse in ihrem eigenen Leben. Sowohl in den Rückblicken als auch im aktuellen Zeitstrang erfährt der Leser/die Leserin sehr viel über das Innere Erleben der beiden Frauen. 

Mich hat die Geschichte von Atara und Rachel wie ein Sog die Seiten umblättern lassen. Der Plot ist zu Beginn so gestaltet, dass ich unbedingt wissen wollte, was hinter der so spannend eingeleiteten Geschichte verborgen ist. Teilweise wähnte ich mich mitten in einem Krimi. An anderen Stellen spürte ich durch die Gedanken die Unzufriedenheit und Unsicherheit der handelnden Person. Auch hier ist es die Sprache, die die Geschwindigkeit der Ereignisse vorgibt. Ohne, dass Gefühlsbegriffe verwendet wurden, habe ich als Leserin hautnah gespürt, wie sich die beiden Frauen in verschiedenen Situationen fühlten. Ein grandioses Meisterwerk der Sprache. 

Die Erzählung bietet viel Spielraum und Ansatzpunkte zu Interpretation, sie ist vielschichtig und äußerst anregend für mich gewesen. Dabei sind sicher einige symbolträchtige Bilder oder Szenen, die mit der israelischen Geschichte und Gesellschaft verknüpft sind, vorhanden, die ich beim Lesen als solche nicht erkannt habe. 

Mir hat dieser anspruchsvolle Roman sehr gefallen und für mich ist es ein Lese-Highlight gewesen. Besonders bei den wunderschönen, poetischen Metaphern habe ich manchmal die Luft angehalten, so beeindruckend fand ich die Vergleiche. Ich bin entführt worden in ein Gefühlspotpurrie aus Verlassenheit, Verantwortung, Schuld, Schuldgefühlen, Trauer, offenen Fragen an das Leben, Sinnsuche für Männer und Erlösung für Frauen….

... und bin ganz am Ende des Romans unglaublich befreit wieder herausgelassen worden. Ein interessantes Erlebnis, das ich nicht missen möchte. Es ist ein Roman zum Erleben.