Rezension

Ein Buch, das dem Leser das Fürchten lehrt

Emma, der Faun und das vergessene Buch - Mechthild Gläser

Emma, der Faun und das vergessene Buch
von Mechthild Gläser

Klappentext:
Als Emma beim Aufräumen in der Bibliothek ihres Internats ein altes Notizbuch findet, denkt sie zunächst, es wäre eine Art Chronik der Schule. Aber es ist genau umgekehrt: Alles, was man in dieses Buch hineinschreibt, wird tatsächlich wahr.
Natürlich beginnt Emma sofort damit, den Schulalltag auf Schloss Stolzenburg ein wenig zu „korrigieren“. Doch nichts geschieht so, wie sie es sich gedacht hat. Zumal auch schon früher Chronisten das Buch genutzt haben. Zum Beispiel eine junge Engländerin, die Ende des 18. Jahrhunderts ein Märchen über einen Faun verfasst hat und später eine erfolgreiche Schriftstellerin wurde. Oder Gina, die vor vier Jahren plötzlich verschwand, nachdem sie ihre Geheimnisse der Chronik anvertraut hatte.
Als sich jetzt auch noch Ginas Bruder Darcy einmischt, ist das Chaos perfekt. Denn Emma und Darcy sind einander in herzlicher Abneigung zugetan – zumindest glauben das die beiden.

Die Autorin:
Mechthild Gläser wurde im Sommer 1986 in Essen geboren und hat Politik, Geschichte und Wirtschaft studiert. Auch heute lebt und arbeitet sie im Ruhrgebiet, wo sie außerdem ab und an unfassbar schlecht Ballett tanzt – aber nur, wenn niemand hinsieht. Sie liebt es, sich abstruse Geschichten auszudenken, und hat früh damit begonnen, sie aufzuschreiben. Inspiration dafür findet sie überall, am besten jedoch bei einer Tasse Pfefferminztee.

Meine Meinung:
Emma liebt Stolzenburg. Eine Schule, wie man sie sich gern selbst gewünscht hätte. Eingekleidet im Gewand eines Schlosses hat sie alles zu bieten, was das Herz begehrt. Emma hat Glück, dass sie dort sein darf, denn eigentlich ist dieser Ort für die Gutbetuchten der Gesellschaft reserviert, ihr Vater jedoch leitet die Schule - und somit kommt Emma in den Genuss, auf Stolzenburg verweilen zu dürfen.
Bei einer Umräum- und Säuberungsaktion der Bibliothek im Westflügel fällt ihr ein Buch in die Hände, das eine Art Chronik von Stolzenburg zu sein scheint. Das glaubt sie zumindest zuerst, bis sie merkt, dass das, was man sich unterschwellig oder auch gewollt wünscht, auch in der Realität geschieht. Mehr oder weniger, abgewandelter oder haargenau so.
Schon bald erliegt Emma dem Reiz des Verbotenem, denn nicht nur kleine Schummeleien beeinflussen nun den Schulalltag, sondern auch eingreifendere Ereignisse, die nicht mehr rückgängig gemacht werden können.

Was hat es mit dem mysteriösen Faun auf sich? Ist er Sagengestalt, einfach nur Fantasie oder gibt es ihn gar wirklich?
Außerdem ist da noch der eingebildete Darcy, aus dem Emma nicht schlau wird, und der seine vor vier Jahren verschwundene Schwester sucht. Und in der geheimnisvollen Aura rund um und in Stolzenburg schweben rätselhafte Libellen und silberne Blätter.

Dieses Buch hat mir unwahrscheinlich gut gefallen, und das lag an vielen Faktoren.
Emma war mir überaus sympathisch, weil sie ein ganz normales Mädchen ist, das man einfach gernhaben muss. Sie traut sich etwas, ist mutig und sorgt sich ständig um ihren Vater, der der Meister der eingebildeten Krankheiten ist.
Darcy ist natürlich der junge Fitzwilliam aus "Stolz und Vorurteil" schlechthin. Hinter seiner äußerst kühlen Fassade vermutet man keinen so eingebildeten Schnösel, wie er vorgibt, zu sein. Man wünscht es sich, weil Emma jemanden verdient, der sie gut behandelt.
Auch die Nebenfiguren, die Freundinnen und Freunde durchschaut man nicht so leicht und man weiß lange nicht, wem man hier überhaupt trauen kann. Irgendwie scheinen alle verdächtig.
Das macht auch den Reiz der Geschichte aus: Man ist ständig nur am rätseln, nachdenken und grübeln, was es denn nun mit dem Faun und dem Buch auf sich hat.

Auch die Beschreibungen von Stolzenburg, der Umgebung fand ich sehr gelungen. Alles wirkt so verwittert, verwunschen, nicht greifbar - eben wie im Märchen.
Man spürt sehr oft die Bezüge zu Jane Austen, die sich nicht nur in den Namen, sondern auch Handlungen und bestimmten Szenen herauslesen lassen.

Die Auflösung hätte ich so nicht erwartet. Schon lange hat mich kein Buch mehr so beeindruckt, bei dem ich nicht wusste, wie sich alles aufklären wird. Das verleitete immer wieder zu Spekulationen und dem dringlichen Weiterlesen. Ich hätte mir am Schluss noch ein wenig mehr Aufklärung gewünscht; das war ein wenig zu schnell abgehandelt. Hier hätten ein paar Seiten mehr noch etwas mehr Verständnis in die Handlung gebracht.

Das Cover hat der Verlag wunderschön gestaltet, es passt absolut gut zur Geschichte.
Der Schreibstil ist leicht, trotzdem fesselnd und detailliert, aber nicht zu sehr, sodass man nicht darin vollends versinkt, sondern sich alles gut vorstellen kann. Weniger ist mehr.

Wer Fantasy mit vielen Geheimnissen mag, liegt bei diesem Buch genau richtig.

4 Sterne.