Rezension

Poetisch aber zu langatmig

Die Liebesnachricht - Maria Ernestam

Die Liebesnachricht
von Maria Ernestam

Bewertet mit 3 Sternen

Der erste Satz: „Mein Vater starb auf dem Pferderücken.“

Das Innere: Mariana und ihre beiden Schwestern stammen aus einer Schaustellerfamilie, die in einer schwedischen Kleinstadt sesshaft geworden ist. Doch ein Schicksalsschlag begleitet die drei Schwestern seit der Kindheit: der Vater ist auf seinem Karussell ermordet worden. Lange Jahre rührt niemand mehr an den unaufgeklärten Fall, bis die ehemalige Bäckerei auf einmal einen neuen Bewohner bekommt: Amnon, der aus Amerika kommt und über die kleine Stadt ein Buch schreiben will. Seine Recherchen fördern jedoch nicht nur gute Erinnerungen zutage…

Das Wesentliche:  Eine schwedische Kleinstadt wird von einem Fremden aufgemischt und zerbricht fast an den ans Licht der Öffentlichkeit gezerrten Geheimnisse – so ähnlich habe ich mir die Geschichte vorgestellt. Und genau so ist auch die Handlung, allerdings ohne die von mir erhofften spannungsreichen Elemente. Stattdessen findet sich in Maria Ernestams Roman ein sich langsam entwickelnder Handlungsstrang, der viel Zeit lässt für die Interaktion der Protagonisten.

Seltsamerweise bin ich im Laufe des Buches mit niemandem außer Mariana, der Hauptfigur, richtig warm geworden. Bis etwa zur Mitte des Buches konnte ich die verschiedenen Bewohner der schwedischen Kleinstadt noch nicht einmal richtig auseinanderhalten, so blass erschienen mir die Charakterzüge. Selbst Marianas Schwestern Elena und Karolina waren für mich austauschbare Figuren, denen ich mich nicht nahe fühlen konnte.

Lange habe ich überlegt, woran das gelegen hat. In meinen Augen ist es einfach so, dass die Protagonisten so dermaßen mit sich selbst und ihrer jeweiligen Situation beschäftigt sind, dass sie dem Leser keine Chance bieten, ihnen nahe zu kommen. Ich denke, dass die Autorin damit die Ortschaft und ihre Bewohner allerdings durchaus authentisch geschildert hat.

Mariana ist jedenfalls eine enorm sympathische Person, die ein offenes Ohr für jeden hat. Ihr Spielzeuggeschäft ist eine zentrale Anlaufstelle in der Stadt, in der jeder jeden kennt. Mariana hat eine besondere Bürde zu tragen, denn sie selbst hat den Vater tot aufgefunden, als sie noch ein junges Mädchen war. Sie und ihre Schwestern haben dem Unglück zum Trotz ihren Platz in der Stadt gefunden, obwohl die damaligen Ereignisse unaufgeklärt blieben.

Die drei Schwestern haben ein besonderes Talent: sie sind Puppenspielerinnen. Und wie sie die Fäden ihrer Marionetten in den Händen halten, scheinen auch ihre Nachbarn und Mitbewohner der Stadt von fremden Händen gelenkt zu werden. Damit hat die Autorin ein schönes Sinnbild für die Unausweichlichkeit der Situation geschaffen, in der sich die einzelnen Personen befinden und aus der sie sich nicht mit eigener Kraft befreien können. Erst Amnon, der geheimnisvolle Fremde, schafft es nach und nach, die alten Strukturen aufzubrechen und die Fäden sozusagen zu entwirren.

Sehr schön fand ich übrigens den Schriftwechsel zwischen Mariana und Yvo, einem befreundeten Puppenspieler. In ihren langen E-Mails tauschen sie sich über ihre Gefühle und über aktuelle Ereignisse auf so elegante Art aus, dass ich nur neidisch werden konnte – so würde ich auch gerne Briefe schreiben können.

Am Ende des Buches werden verschiedene offene Punkte auf eine realistische und nachvollziehbare Art und Weise beantwortet, allerdings auf die gleiche unaufgeregte Art und Weise, in der diese zu Beginn geschildert werden. So ist der Roman zum Teil auch ein Kriminalstück, bei dem einzelne Puzzleteile nach und nach zum großen Ganzen zusammengesetzt werden.

Das Fazit: So ganz konnte ich nicht warm werden mit diesem Roman und seinen Protagonisten. Allzu ruhig floss die Handlung dahin, und die lethargische Haltung einiger Bewohner der kleinen Stadt hat mich beim Lesen leider angesteckt, weswegen ich unverhältnismäßig lange gebraucht habe, das Buch durchzulesen. Dennoch hat mir der Handlungsaufbau gefallen, und die bildhafte Sprache ist oft sehr poetisch. Für Freunde ruhigerer Handlungsabläufe deswegen dennoch eine Leseempfehlung.

Die Bewertung: Drei von fünf Sternen