Rezension

Die Marionettentöchter und ihre Kleinstadt voller Geheimnisse

Die Liebesnachricht - Maria Ernestam

Die Liebesnachricht
von Maria Ernestam

 Mariana lebt mit ihren zwei Schwestern in einem wirklich kleinen Ort in Schweden. Alle drei sind kreative, selbstbewusste und etwas exzentrische Frauen, die Mitten im Leben stehen. Mariana steckt in einer schweren Ehekrise, ihr Mann ist mit der Teenager-Tochter vorübergehend in die USA gezogen, doch das Wort “Scheidung” wagte noch keiner auszusprechen. Sie leitet den Spielzeug-/Marionetten-/Buchladen der Familie und bietet auch Lesungen und andere kulturelle Aktivitäten für Schulklassen an. Ihre mittlere Schwester ist Bäckerin und stellt sehr kunstvolle Scheidungstorten her, während die jüngste  als Malerin kunstvolle Särge herstellt. Als der jüdische Journalist Amnon auftaucht und Fragen über die Vergangenheit stellt, werden nicht nur bei den drei Frauen alte Wunden aufgerissen, es wird auch ein latenter Fremdenhass deutlich, der sich durch Generationen zieht. Spätestens als Mariana eine Tüte mit blutigen Augen erhält wird klar, dass auch der blutige Tod ihres Vaters und seine Zugehörigkeit zur fahrenden Schaustellerzunft etwas mit dem Auftauchen von Amnom zu tun hat.

Das Buch lässt sich für mich nicht in gängige Genre einordnen. Es enthält durchaus Thriller- oder Krimielemente, die Rückblenden in die Zeit des zweiten Weltkriegs und die frauenromanhafte Selbstreflexion der Protagonistin über ihre Ehe und die Affäre mit einem deutschen Marionettenspieler. Für mich eine gelungene Mischung, die ich so nicht erwartet hätte.

Titel: Ja, hier muss ich mal wieder über den deutschen Titel meckern. “Die Liebesnachricht” ergibt für mich weder vor noch während geschweige denn nach der Lektüre einen Sinn. Der Titel ist weder treffend noch besonders reißerisch. Wird hier versucht das Buch in ein völlig falsches Genre zu pressen? Ich habe wirklich keine Idee, was sich der Übersetzer bei diesem Titel gedacht hat. Der Originaltitel lautet übrigens “Marionetten döttrar” also “Die Marionettentöchter” oder so. Da das Buch um die drei marionettenspielende Töchter eines ermordeten Marionettenspielers geht, doch irgendwie verdammt treffend oder? ALSO WARUM LIEBESNACHRICHT?

Fazit: Die Geschichte über das Fremdsein, lebenslange Schuld und die Suche nach dem einem freien, selbstbestimmten Leben in einer kleinen Stadt in Schweden. Die teilweise sehr spannenden und dann wieder sehr ruhigen, kleinstädtischem Alltag entsprechendem Passagen machten für mich das Buch zu einer unerwarteten und realistischem Lektüre. Die Autorin beweist für mich ein wirklich sensibles Gespür für die menschliche Psyche. Auch wenn man sich manchmal etwas mehr Tempo wünscht, eine Leseempfehlung.