Rezension

Familienchronik vor dystopischem Hintergrund ...

Das Flüstern der Bäume - Michael Christie

Das Flüstern der Bäume
von Michael Christie

Bewertet mit 4.5 Sternen

… oder generationsübergreifender Abenteuerroman oder doch eher eine Sammlung von Entwicklungsgeschichten im konstruierten Zusammenhang?

Die Zuordnung ist gar nicht so einfach. Der Autor erzählt genreübergreifend, bedient sich einem ungewöhnlichem chronikartigem Aufbau – von der Zukunft hangelt er sich von Generation zu Generation in die Vergangenheit und wieder zurück.

Er jongliert mit unterschiedlichen Perspektiven, scheut keinen Wechsel von personalen zum auktorialen Erzähler und zurück und überschwemmt den Leser mit seiner süffigen Sprache voller bizarren Vergleichen. Nicht alles funktioniert, manches bleibt mehr Schein als Sein. Und doch entwickelt die Geschichte eine eigene Dynamik, der ich mich nicht entziehen kann.

Es sind die Menschen, von denen dieses Buch erzählt - Menschen in einer ungastlichen Welt - Menschen, die Familie erfinden und doch nicht leben können. Sie geben ihrer Sehnsucht nach, gehen Wege abseits der Gesellschaft, werden von alten Dämonen gejagt, verletzen sich, verlassen sich und versuchen bis zum Ende, sich selbst treu zu bleiben. Man kann sie nicht alle mögen, aber verstehen kann man sie gut. Und auch ihren Dialog mit den Bäumen.

Es gibt so viele Details die besonders sind. Ungewöhnliche Charaktere, abstoßende Entscheidungen, krasse Lebenswege und eine Atmosphäre voller harziger Gerüche, Blätterrauschen und Rattern von Kettensägen. Die Geschichte entwickelt sich Schicht um Schicht und damit eine eigene Spannung. Ein Twist jagt den nächsten, strapaziert einige Mal meinen Realitätssinn. Doch ich verzeihe es, weil es nicht nur dem Plot dient, sondern ich längst an die Protagonisten gebunden bin und nicht mehr loslassen kann. Das ist es auch was mich versöhnt - mit dem etwas langatmigen auktorialen Mittelteil, der blassen Dystopie, die nur Hintergrund sein darf, und manchem sperrigem Wortspiel. Die Menschen sind echt und erreichen mich.

Fazit: Ungewöhnliche Geschichte für experimentierfreudige Leser.