Wie viel Freiheit würdest du aufgeben
Bewertet mit 4 Sternen
Die Geschichte des Circles und Mae Holland geht weiter. Der Circle und das größte Online Versandhaus der Welt fusionieren und gelangen so zu noch mehr Einfluss und Macht auf die Menschen. Gleichzeitig entsteht eine Zwei-Klassen Gesellschaft aus denjenigen, die innerhalb des Every Kosmos leben und an der ständigen Verbesserung der Welt und ihrer eigenen Persönlichkeit arbeiten und der restlichen Welt, die ihr Leben außerhalb des Every Campus verbringt.
Delanay Wells hat es sich zur Aufgabe gemacht, dem Einfluss von Every ein Ende zu setzen, indem sie das Unternehmen von innen heraus zerstört. Sie gibt sich als perfekte Mitarbeiterin, die sich mit immer neuen und absurderen Ideen einbringt, in der Hoffnung, die Menschen so sehr zu erzürnen und zu verärgern, dass sie sich selber gegen Every wenden.
Die Handlung knüpft nahtlos an den Vorgänger The Circle von Dave Eggers an. Einige der dortigen Personen spielen auch bei Every noch eine wichtige Rolle. Die meisten Personen werden jedoch neu eingeführt. Ähnlich wie beim Start von Mae Holland lernt man auch hier mit Delanay Stück für Stück den Every Campus und die einzelnen Abteilungen mit ihren Personen kennen. Delanay rotiert durch die verschiedene Abteilungen, wodurch man gleichzeitig viele Apps und Gewohnheiten bei Every kennenlernt, z.B. dass es keine Verpackungen mehr gibt, eine App den perfekten Tagesplan für jeden erstellt. Texte und Bücher von einer KI automatisch verbessert werden und Apps das Shoppingverhalten dahingehend optimieren, dass möglichst wenig Ressourcen verschwendet werden. Jeder Mensch ist vollständig transparent, angefangen vom Aufenthaltsort, seiner Duschtemperatur über Essgewohnheiten oder Gesundheitszustand bis hin zum Schlafverhalten. Es gibt scheinbar nichts, was es nicht gibt. Alles mit dem Ziel, dem Menschen möglichst viele Entscheidungen abzunehmen und ihn zur besten Version seiner selbst zu machen.
Im ersten Moment scheint einem diese Welt völlig surreal und jede App wirkt einfach so übertrieben. Es ist kaum vorstellbar, dass die Menschen sich das alles haben gefallen lassen und niemand etwas dagegen getan hat, dass es überhaupt so weit kommt. Die ganze Every Welt wirkt völlig absurd und lächerlich. Gleichzeit regt es immer mehr zum Nachdenken an, wie nah unsere Gesellschaft diesem Szenario schon gekommen ist, wie viele Daten von uns schon im Netz bekannt sind, inwieweit unser Konsumverhalten bereits optimiert wird und wie viel Freiheit sich jeder von uns nehmen lassen würde, vor dem Hintergrund, die Welt zu retten und ein besserer Mensch zu werden.
Wenn man sich die aktuellen Entwicklungen in der Welt anschaut, frage ich mich vor allem, wann bei uns dieser Punkt erreicht sein wird, wo jemand nein zu einer Entwicklung sagt oder ob wir dasselbe Ergebnis erreichen wie am Ende von Dave Eggers Roman.
Insgesamt hat mir das Buch sehr gut gefallen. An einigen Stellen fand ich es etwas langatmig, besonders die Einführung hätte ruhig etwas kürzer ausfallen können. Wenn man den Vorgängerroman gelesen hat, weiß man ungefähr, worauf man sich hier einlässt und ist nicht mehr ganz so überrascht oder schockiert wie bei The Circle. Dennoch stimmt es einen nachdenklich und regt dazu an, sein eigenes Verhalten in vielerlei Hinsicht zu hinterfragen und zu überdenken.