Rezension

Spannender Abschluss und ein echtes Drama

NEBEL - Ragnar Jonasson

NEBEL
von Ragnar Jonasson

Bewertet mit 5 Sternen

Die Grenze zwischen gut und böse

„Aber so war ihr Beruf bisweilen – ein Spiel, das in der Grauzone zwischen Tag und Nacht gespielt wurde. Nie konnte sie ihren Sieg in vollen Zügen genießen. Nie war ihre Arbeit wirklich getan.“

Inhalt

Die Weihnachtszeit ist für Hulda Hermannsdóttir im Jahr 1987 die schwerste ihres Lebens, denn nachdem sich ihre halbwüchsige Tochter Dimma das Leben genommen hat, befindet sie sich am absoluten persönlichen Tiefpunkt. Alles Glück scheint ihr abhanden gekommen zu sein und die Ehe mit Jón ist nur noch eine Farce. Schon im Februar hält sie es nicht mehr in den eigenen vier Wänden aus und stürzt sich wieder in die Polizeiarbeit. Diesmal soll sie einen Mord auf einem abgelegenen Bauernhof im Osten des Landes aufklären. Bei den Leichen handelt es sich um ein Ehepaar, welches bereits seit Jahr und Tag den letzten Hof in der Gegend bewirtschaftet. So wie es aussieht liegen die Toten schon mindestens zwei Monate in ihrem Haus und der Täter müsste längst über alle Berge geflohen sein. Hulda nimmt sich dem Schicksal der Ermordeten an, auch wenn sie selbst tief in der Krise steckt und entdeckt Parallelen zu einem Vermisstenfall, den sie schon geraume Zeit auf ihrem Schreibtisch liegen hat …

Meinung

Der isländische Bestsellerautor Ragnar Jónasson beweist auch in seinem dritten Fall der Hulda-Hermannsdóttir-Reihe viel kriminalistisches Feingefühl und entwirft ein angenehm spannendes Szenario, bei dem der Leser vorerst nicht weiß, wer die Bauersleute bedroht und warum, oder ob sich die verwirrte Frau nur einbildet, dass der schutzbedürftige Fremde ihre Gastfreundschaft ausnutzen wird. Der Schreibstil ist zielgerichtet, prägnant und oftmals in wörtlicher Rede verfasst, so dass man fast ein stiller Beobachter der Szenerie sein darf. Dadurch entwickelt die Handlung trotz ihres eher geringen Aktionspotentials, einen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Gerade das Düstere, die dunklen Vermutungen und das latente Gefühl der Bedrohung locken den geneigten Leser immer weiter hinein in eine mörderische Stimmung, bei der die Grenze zwischen gut und böse nach und nach verwischt.

Während in den ersten beiden Bänden der Trilogie oftmals die Position der Kommissarin innerhalb ihrer männerdominierten Arbeitswelt zum Thema stand, tritt Hulda hier eher in den Hintergrund. Die Zusammenhänge zwischen dem Tod der Tochter und den häuslichen Vorfällen sind dem Leser ja schon bekannt, da die Geschichte rückwärts erzählt wird und man in Band eins eine kurz vor der Pensionierung stehende Hulda kennenlernt, während sie hier in ihrem vierten Lebensjahrzehnt steckt. Da ich alle Bände kurz hintereinander gelesen habe, muss ich abschließend sagen, dass mir der Stil aller Bücher zugesagt hat, ich aber eindeutig mehr Interesse an den Mordfällen hatte als an dem Leben der Kommissarin. Aus diesem Grund gefällt mir der Abschluss wohl auch am besten, weil der Autor dort bereits die Hintergrundgeschichte erzählt hat und nur noch hin und wieder einen Abstecher ins Detail unternimmt.

Fazit

Ein richtig spannender Roman mit sehr stimmungsvollem Hintergrund und eher leisen Erzähltönen, der mich gerade deshalb sehr gut unterhalten konnte. Hier vergebe ich gerne 5 Lesesterne, für den besten Band dieser Reihe, der alles nochmals Revue passieren lässt und dennoch ein ganz eigenständiges Konstrukt ist. Positiv empfinde ich auch den leichten Ton, mit dem man nun verabschiedet wird, denn manchmal empfinde ich gerade den letzten Band einer guten Reihe etwas wehmütig und blicke ihm mit einem tränenden Auge hinterher. Hier wirkt das in der Gesamtheit nicht so tragisch, vielmehr entsteht der Eindruck eine Person ein Stück ihres Lebensweges begleitet zu haben und tiefer geschaut zu haben, als es ihre unmittelbare Umgebung gekonnt hätte, gerade weil Hulda nicht zu den redseligen Menschen gehört, die jedem ihre Lebensgeschichte offenbart. Ich empfehle die Reihe weiter, sie bietet gute, stimmungsvolle Atmosphäre gepaart mit einer kriminalistischen Handlung, die zwar wenig Neues bietet, dafür aber sehr menschlich wirkt.