Rezension

Naive Läuterungsgeschichte

Barbara stirbt nicht -

Barbara stirbt nicht
von Alina Bronsky

Bewertet mit 3.5 Sternen

Walther Schmidt hat sich sein Leben lang nur dann in der Küche blicken lassen, wenn er sich zum Essen setzte. Er hat ein altmodisches Weltbild über, na ja, die Welt halt und ein patriarchalisches Rollenverständnis. Er verdient das Geld, sie versorgt ihn. Seiner jungen Frau Barbara, die er seinerzeit aus dem Ostblock hat, setzte er eine sehr lange Weile lang exakte Vorgaben, man könnte sagen, er gängelte sie. Walther ist kein leicht zu nehmender Ehemann. Und ist er ein Partner? 

Andererseits zeigte sich schon damals, am Anfang seiner Ehe, sein liebenswertester Zug, nämlich seine Loyalität. Die Anfangsversuche Barbaras in der Küche werden nicht kommentiert, er isst widerspruchslos alles, was ihm vorgesetzt wird und er verteidigt seine Frau gegenüber seiner Mutter. Kann man mehr verlangen? Mit der Zeit läßt er auch die Leine locker, gewährt außerhäusige Freiheiten und im Haushalt hat Barbara sowieso das Sagen. Als Barbara eines Tages krank wird, und nicht mehr aufsteht, wendet sich das Blatt. Walther übernimmt den Haushalt. 

 Der Kommentar: 
Der Roman „Barbara stirbt nicht“ erinnert mich an das Lied von Johanna von Koczian „Das bisschen Haushalt ist doch gar nicht schwer, sagt mein Mann, das bisschen Haushalt macht sich nenbenher, sagt mein Mann.“ Ein lustiges Liedchen, das in den 70er Jahren für Schmunzeln sorgte. Und hier liegt das Problem des Romans, der ohne Zweifel unterhält und die Entwicklung seiner Figur humorvoll begleitet: Der Roman wirkt antiquiert. Eine naive Läuterungsgeschichte wie aus den 70ern. Vielleicht brauchen wir wieder leichtere Kost in unserer komplizierten Welt? Allerdings sind die Walthers unserer Zeit ganz anders gestrickt. Sie sind gegen alles, marschieren mit Pegida und wählen AfD. 

 Was an dem Roman schätzenswert ist, sind zwei Dinge, erstens die Entdeckung, dass aus Gewöhnung Liebe werden kann und zweitens, dass es Situationen gibt, denen mit Worten nicht beizukommen ist. Manchmal muss man das Schicksal kommentarlos hinnehmen. So wie Walther es tut. 

Fazit: Der Roman ist etwas aus der Zeit gefallen. Liebenswert. Auch lesenswert? Das muss man selbst entscheiden. Eins ist er jedenfalls nicht: zeitgemäß. 

Verlag: KiWi, 2021
Kategorie: Humor

Kommentare

Sursulapitschi kommentierte am 20. Oktober 2021 um 10:19

Das ist eine erhellende Rezi, danke. 

Emswashed kommentierte am 20. Oktober 2021 um 14:21

Och, ein paar Walthers kenne ich noch und auch einige, die sich lieber ihre "Frauchen" im Ausland suchen und sei es nur, dass die Sprachbarriere das Einfordern ihrer Rechte behindert.

wandagreen kommentierte am 20. Oktober 2021 um 18:09

jajaja. das schon. Aber das sind ganz andere Walters. Anderes Kaliber.