Rezension

Verdrängungsmechanismus und Veränderung des Lebensbildes

Barbara stirbt nicht -

Barbara stirbt nicht
von Alina Bronsky

Bewertet mit 4 Sternen

"Barbara stirbt nicht" ist ein sehr außergewöhnlicher Titel, der aber optimal zum Inhalt des Romans passt. Da ich schon von Alina Bronsky "Baba Dunjas große Liebe" und "Der Zopf meiner Großmutter" gelesen habe, weiß ich um die Vielschichtigkeit der Romane und auch hier wird schnell deutlich, das eine große Veränderung stattfinden wird. Schon die ersten Seiten des Romans zeigen einen Mann auf, der durch Erziehung und ein anderes Zeitalter sehr geprägt wurde und sich so verhält, wie er es gelernt hat. Mir ist dieses Verhalten nicht unbekannt, sind meine eigenen Eltern und Schwiegereltern doch ebenso geprägt worden und es ist einfach schwer sich verändern zu lassen oder umzudenken. Walter Schmidt zeigt nicht unbedingt seine besten Seiten und dennoch schließe ich ihn ins Herz, da ich erkenne, dass es den Lebensumständen der Nachkriegszeit geschuldet ist, das er sich verhält, wie er sich verhält und wie sehr es sein Denken und Handeln umschlossen hat. Es gibt allerdings Hoffnung und je mehr sich Walter offenbart durch seine Gedanken, an die er die Leserschar teilhaben lässt, zeigt sich, das er die Bettlägerigkeit seiner Frau kaum aushält und auch nicht verstehen kann. Selbst als Leserin, ohne eine Diagnose über Barbaras Zustand erhalten zu haben, kann ich nur in Mutmaßungen anstellen, die allerdings eher unbefriedigend sind, da zunächst Hoffnung auf Besserung besteht, was sich zum Ende hin dann allerdings als Trugschluss herausstellt, da Barbara schwächer und schwächer wird und es scheinbar das komplette Umfeld der Familie Schmidt wahrnimmt, nur Walter es verweigert einzugestehen, das seine Frau todkrank ist. 
Für Walter ist es ein Neubeginn, da er lernt sich zu öffnen und umzudenken. Er lernt kochen und backen, wobei er sich hierzu Ratschläge aus dem Internet holt. Das Internet wird für ihn eine Plattform, in der er seine Frau besser kennenlernt. Vielleicht hat er einfach nur die Augen verschlossen über das liebevolle Wesen seiner Frau oder er war viel zu oberflächlich in seinem Denken und Handeln? Klar zeigen sich seine Verhaltensweisen gegenüber Randgruppen, die sich vielleicht nicht ganz abstellen lassen, aber immerhin dafür sorgen, seiner Frau Borscht zu kochen. Eigentlich ist es zum Weinen zu sehen, wie verbohrt Menschen durch ihre Erziehung und Erfahrungen sind. Anhand des Beispiels dieses außergewöhnlichen Protagonisten, der auch durch seinen deutschen Schäferhund Helmut auffällt ,zeigt sich. dass es Hoffnung auf Veränderungen eines Lebensbildes gibt. Alina Bronsky nutzt hier einiges an Klischees, die einen sehr unangenehmen Menschen zeigen, der zum Ende des Romans um ein vielfaches umgänglicher erscheint.
Der Roman ist zügig gelesen und endet sehr abrupt, was aber zum vorherigen Geschehen passend erscheint. Walter ist zum Ende hin nur noch darauf bedacht, seiner Frau nur das Beste zukommen zu lassen und daher hat es mich zwar erstaunt, dass das Ende offen bleibt, aber im Rückblick ist es genauso, wie es sein soll und nicht anders. Alles andere wäre jetzt doch unpassend!
Ich vergebe sehr gerne eine Leseempfehlung, da ich quasi durch die Seiten meines Readers flog und erstaunt darüber war, wie verbohrt ein Mensch sein kann, der aber durch die Umstände der Erkrankung seiner Frau, fast schon "nett" zu nennen ist. Der Umgang mit Kindern und Enkel verbessert sich und auch innerhalb der Nachbarschaft und Freundschaften kann sich Walter nun anders öffnen, was mir sehr zugesagt hat.