Konnte mich leider nicht überzeugen
MEINE MEINUNG
ALLGEMEIN
Lost Places erzählt die Geschichte von fünf Jugendlichen, die ihre Sommerferien damit verbringen, verlassene Gebäude auszukundschaften und die dabei einer gefährlichen Bande auf die Spur kommen.
FIGUREN
Ich-Erzähler der Geschichte ist Lennart, ein Schüler, der seine Zeit lieber vor dem Computer verbringt, als etwas für die Schule zu tun. Den man nie ohne seine Kapuze sieht und der weder von Verantwortung noch von Respekt sonderlich viel hält. Er lebt in den Tag hinein, hat einen hohen Konsum an Zigaretten, Bier und - wenn er sie bekommt - auch anderen Drogen. Ich muss gestehen, dass ich mit Lennart so meine Schwierigkeiten hatte. Sein Verhalten, seine ganze Art, waren mir alles andere als sympathisch. Und so jemandem durch eine Geschichte zu folgen, ausgerechnet in der Ich-Perspektive, ist nicht so einfach.
Hinzu kommt, dass die anderen Figuren leider extrem blass bleiben. Steven, Chris und Kaya sind Stereotypen, die die ganze Zeit eher im Hintergrund bleiben. Selbst, wenn sie aktiv am Geschehen beteiligt sind, bleiben sie blass und ich hatte so meine Schwierigkeiten, die beiden Jungs auseinander zu halten.
Der einzig interessante Charakter ist Moe, zumindest zu Beginn. Sie ist das typische schüchterne Mädchen, das eine geheimnisvolle Aura umgibt. Sie hat sich - zumindest in der ersten Hälfte - dadurch ausgezeichnet, dass sie nicht mitmachen wollte. Sie war ein wenig die Stimme der Vernunft der Gruppe. Das hat sich aber irgendwann plötzlich geändert. Warum, weiß ich nicht.
Der mysteriöse Raucher bleibt schemenhaft, zu ihm kann ich eigentlich nichts sagen. Er taucht auf, wenn es sein muss, lenkt die Geschichte in die gewollte Richtung, handelt aber nicht unbedingt so, wie sich ein erwachsener Mann verhalten sollte.
Lennarts Eltern werden am Anfang als spießig und streng dargestellt, die von ihrem Sohn enttäuscht sind. Die 180°-Kehre am Ende kann ich nicht nachvollziehen, Urlaub hin oder her.
PLOT
Wie mit den Figuren, so hatte ich auch mit dem Plot meine Probleme. Die Beschreibungen der Lost Places sind gut gelungen, obwohl ich sagen muss, dass mir dabei die düstere Atmosphäre gefehlt hat. Das Gefühl ist bei mir nicht angekommen. Auch die Umgebung von Berlin wurde schön beschrieben und ich konnte mir die jeweiligen Orte gut vorstellen. Aber das Stichwort "Beschreibung" ist genau das richtige. Es wird viel beschrieben. Endlos viel. Und es wird viel erklärt und nacherzählt. Von diesem "Telling" gibt es eine ganze Menge. Was ich vermisst habe, ist "Showing". Es ist einfach nichts passiert. Und wenn etwas passiert ist, brach die Szene mittendrin ab, es gab einen Zeitsprung und der Rest der Szene wurde nacherzählt, anstatt sie zu zeigen. Das macht das ganze unglaublich zäh.
Die Leiche, die auf dem Klappentext angekündigt wird, existiert war, spielt aber im weiteren Verlauf kaum eine Rolle. Oder anders gesagt: die Suche nach dem Täter ist hier unwichtig. Es hängt zwar alles irgendwie zusammen, ich hätte mir aber gewünscht, dass die Leiche - wenn sie schon angekündigt wird - ein zentrales Thema wird.
Trotz der spannenden Hintergrundgeschichte um die Bandenkriminalität der Bandidos, trotz des schaurigen Settings, trotz des faszinierenden Aspekts der Urabn Explores hat mich die Geschichte nicht gepackt. Ich war eher mehr als einmal kurz davor, abzubrechen und erst einmal etwas anderes zu lesen. Und das passiert mir - vor allem bei einer so kurzen Geschichte - nur sehr selten.
Die Idee ist großartig, sie hat viel Potenzial. Aber der Plot wirkt auf mich konstruiert (was dazu führt, dass die Figuren Dinge tun, die nicht zu ihnen passen) und der Anteil an "Telling" ist viel zu hoch. Ich möchte die Geschichte nicht erklärt bekommen, ich möchte sie erleben. Und das ist hier leider nicht passiert.
SPRACHE
Die Sprache ist Lennart angepasst. Sie ist jugendlich und gerne mal etwas umgangssprachlich. Obwohl sich mir bei vielen Sätzen die Fußnägel einrollen, passt sie zu den hier geschilderten Jugendlichen. Nicht mein Geschmack, aber authentisch. Ein bisschen irritiert war ich durch die öfter auftretende amerikanische Satzstellung, aber man könnte damit argumentieren, dass Lennart eben so erzählt. Der Schreibstil ist alles in allem gut lesbar und wie schon gesagt den Figuren angepasst.
FAZIT
Tolle Idee, tolles Setting, schwächelnde Umsetzung, die mich nicht überzeugt hat. Schade.
3 von 5 Punkten
Cover 1 Punkt, Idee 1 Punkt, Plot 0 Punkte, Figuren 1/2 Punkt, Sprache 1/2 Punkt
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