Rezension

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Nicht so packend wie erwartet

Lost Places - Johannes Groschupf

Lost Places
von Johannes Groschupf

Die Jugendlichen Chris, Moe, Kaya, Steven und Lennart sind Urban Explorers: Im nächtlichen Berlin erkunden sie stillgelegte Fabriken, leer stehende Häuser und verfallene Krankenhäuser. Doch was als aufregendes Abenteuer beginnt, wird bald ein riskantes Unterfangen. Denn die verlassenen Gebäude bergen nicht nur Charme, sondern auch Schrecken. Als die Freunde in einem halb verfallenen Haus eine Leiche entdecken, vermuten sie, dass die Motorradgang Bandidos dahintersteckt. Und dann wird es plötzlich so richtig gefährlich ...

Meine Meinung:

Ich bedanke mich recht herzlich beim Oetinger Verlag für die Bereitstellung dieses Buches. Das Cover war das Erste, was mir in die Augen stach. Es wirkt sehr unheimlich und düster. Wobei ich sagen muss, bei näherer Betrachtung auch etwas sonderbar - da es scheinbar nur aus einer Fassade besteht. Dennoch erzeugt es tolle Stimmung - was zum Gruseln musste für Nana her.
Leider ist der Klappentext etwas irreführend. Natürlich geht es um verlassene Gebäude, in Berlin und um eine Leiche - aber die ist nur Beiwerk. Die eigentliche Gewichtung liegt doch etwas anders, wie ich feststellen musste.

Ohne die Protagonisten geht es natürlich nicht. Allen voran Lennart, aus dessen Sicht die Geschichte berichtet wird. Er ist ziemlich "kaputt", wenn man das sagen darf. Nur Ärger, den lieben langen Tag. Nicht nur in der Schule, auch daheim. Die einzige Ruhe bieten seine Freunde.
Da möchte ich zuerst Moe erwähnen, die mir eine wahre Sympathieträgerin war, mehr noch, als Lennart selbst, zu dem ich ein echt schwieriges Verhältnis hatte, dazu später mehr. Moe und
Kaya sind quasi unzertrennlich, dabei könnten sie nicht verschiedener sein. Sie das Glamour-Mädel, sie die Normale.
Steven ist ebenfalls für die Geschichte wichtig und macht einen vernünftigen Eindruck. Sofern man in diesem Buch von "Vernunft" sprechen kann.
Chris hingegen bleibt generell etwas blass, wie ich finde. Er ist eben da, geht jedoch etwas unter, was bei den vielen Protas aber auch nicht verwunderlich ist.

Daneben haben wir aber auch mysteriöse unbekannte Urban Explorers und natürlich Eddi und Klitschko (nicht zu verwechseln mit dem einzige wahren Klitschko) und noch einige Nebenfiguren.
Eines haben alle gemeinsam - sie sind irgendwie ... irgendwie ... kaputt.

Die Sprache. Ja. Gut. Die ersten Seiten machen deutlich, hier wird nicht mit fachchinesisch und gewählten Ausdrücken um sich geworfen. Hier treffen wir Straßenjargon an. Ziemlich derb manchmal, aber wohl auch passend. Wenngleich es teilweise wirklich was befremdlich klingt, selbst für Jugendliche. Aber da kenne ich mich nicht aus, wahrscheinlich gehört das so.

Fazit:
Die anfängliche Faszination des Buches konnte sich nach dem ersten Schock der Sprache wegen noch recht tapfer halten. Wenngleich ich wirkliche Probleme hatte, an Lennart heranzukommen. Der ach so kaputte Bursche, mit der ach so kaputten Einstellung und der ach so kaputten Kompromissbereitschaft. So ein Alles-Scheiße-Typ. Zugegeben, er passt wie Po auf Eimer in dieses Setting, aber als Sympathieträger musste er sich doch schwer gegen Moe behaupten.
Generell wird in dieser Geschichte ein lockerleichter Umgang gepflegt. Locker leicht zum Leben, zu Drogen, zu Alkohol, zu verbotenen Dingen, zu Schlägereien und Co.
Die Leiche, auf die im Klappentext hingewiesen wurde, ist eher nur ein kleines Beiwerk, das letztlich keinen tieferen Sinn hatte. Ein Umstand, der mich etwas rätselnd zurückließ. Wieso gab es sie eigentlich wirklich?
Dagegen muss ich sagen, ich weiß nicht, ob es diese beschriebenen Orte wirklich gibt, aber wenn, dann sind diese wirklich glaubhaft und bildlich beschrieben worden. Das Feeling kam hier sehr gut rüber und faszinierte mich, was mir ein bissl Trost in der Geschichte gab.
Insgesamt lässt sich die Geschichte flüssig lesen, aber die Erwartungen sollten nicht gar so hoch gesteckt sein.
Wirklich gelungen fand ich
(ACHTUNG SPOILER)
die entstehende Liebesgeschichte zwischen Lennart und Moe.
Absolut unglaubwürdig im Gegenzug, dieser krasse Wandel von Lennart zum Dauerbekifften "Leckt mich alle" Teenager, zum verantwortungsbewussten Vorzeigefreund. Liebe kann wahrlich viel, aber das konnte ich leider nicht wirklich nachvollziehen. Es kam zu abrupt und viel zu sprunghaft.
(SPOILER ENDE)
Alles in allem sehe ich hier eine Geschichte, die sicherlich eher was für männliche Leser ist. Ebenso eine Geschichte, die viele Probleme anspricht, sicherlich auch viele, die gerade in Ballungsgebieten Berlins ein Thema sind. (Ich war nie dort, weswegen ich nur rein von meinem Gefühl her sprechen kann).
Aber einige Dinge, siehe Leiche, siehe Wandlung sind dann doch etwas zu kurz geraten. Die Sprache manchmal zu flowig im Abgang und zu abgespaced (wenn man das heute überhaupt noch sagen darf).

Daher von mir eine eher mittlere Bewertung.