Rezension

Sehr guter Page Turner

Lost Places - Johannes Groschupf

Lost Places
von Johannes Groschupf

Bewertet mit 4 Sternen

Mit “Lost Places” gibt es endlich auch einen spannenden Roman über Berlin, der nicht nur interessant geschrieben, sondern auch absolut Nerven aufreibend gestrickt ist. Ein echter Page turner, den ich nicht mehr aus die Hand legen konnte. Es spitzt sich so krass zu, dass es fast schon enttäuscht, dass man am Ende auf den Boden plumpsen muss, statt von der Spannung langsam zurück getragen wird. Trotzdem ein wirklich tolles Buch, dass sein Geld und die Lesezeit wert ist.

Meine Meinung

Lennart, aus dessen Sicht die Geschichte beschrieben wird, hängt mit seinen vier Freunden an den seltsamsten Orten in Berlin ab. Als sogenannte Urban Explorers erkunden sie die dreckigsten oder verlassensten Orte. Daher auch der gut gewählte Titel “Lost Places”. Das Setting mit Berlin als einen Ort, der viele verschiedene Schichten der Gesellschaft sein eigen nennt und mehr als jede andere deutsche Stadt vermutlich an Geschichte erlebt hat, wurde ebenfalls gut gewählt.

Deutsche Titel haben es oft schwer (zumindest geht mir das oft so), einen guten Schauplatz und eine ansprechende Geschichte innerhalb Deutschlands zu finden, wie ich finde. Der Autor Johannes Groschupf hat es aber geschafft, extrem viel Spannung aufzubauen, bereits zu Beginn. Der Leser wird in die Träume von Lennart entführt. Er ist kein besonders guter Schüler und glänzt auch nicht mit viel Interesse einer zu werden. Mit seinen Freunden Chris, Moe, Steven und Kaya, die allesamt ihre speziellen Merkmale haben, schleift er sich über drei Wochen seiner Schulferien. Doch so “lame” (lahm) wie befürchtet, würden diese Ferien garantiert nicht werden, für die fünf Freunde.

Ihr Leben spielt sich hauptsächlich nachts ab. Als es Lennarts Eltern endgültig reicht, lassen sie ihn allein, damit er Zeit hat sein Leben wieder auf die richtige Bahn zu bringen, und reisen allein nach Italien in den Urlaub. Zeit für Lennart genug zu erleben, oder das Leben an sich vorbei rauschen zu lassen.

Die Geschichte wird aus der Ich-Perspektive von Lennart erzählt. Das macht das Ganze streckenweise sehr authentisch, gelegentlich hat der Tiefgang etwas gefehlt. Als er dann jedoch den größten Fehler in den Ferien begeht (oder seinem Leben bisher), nämlich nicht nur eine Leiche, sondern auch noch Stoff der Bandidos zu entdecken, schlittert er von einer brenzligen Situation in die Nächste. Grund genug für Groschupf das Tempo rasant zu steigern, bis man das Buch einfach nicht mehr aus der Hand legen kann; bis man letztendlich gemeinsam mit Lennart in eine Situation rutscht, wo es nur zwei Möglichkeiten gibt: Leben oder sterben.

Zwischendurch tauchen nicht nur die widerlichen Charaktere der Bandidos auf, sondern auch zwei eigenartige Personen, die der Gruppe ein paar Wege weisen werden. Wobei ich mir bei Irina noch nicht ganz klar darüber bin, welche tiefgehende Aufgabe sie wirklich hatte. Aber ihre gestörte und psychisch-abgefuckte Seele passte zu dem Ort, an dem sie auftauchte und sorgte für ordentlich emotionale Gefühlsausbrüche. Ist doch auch ein gutes Zeichen, wenn man sich über Charaktere aufregen muss, oder?

Es hatte auch etwas von “Die Vorstadtkrokodile”, nur ohne Mutprobe und in der modernen Zeit. Vielleicht auch nicht unbedingt. Aber am Anfang musste ich, grad als sie das erste Fabrikgebäude erklommen, an die Mutproben in dem Kinderbuch denken.

Mein Endfazit

Dieses Buch ist ein absoluter Page turner: Setting, Story, Charaktere – alles passt. Hier passt nicht nur Cover und Titel zum Inhalt. Es wird zwar als “Roman” gekennzeichnet, aber es hat teilweise Elemente des “Jugendthrillers” in sich, da wurde mir manchmal selbst Angst und Bange. Etwas handfest sollte man auch sein, denn es wird auch Blut geben in der Geschichte, was den Ekelfaktor mit einbringt. Und das ist auch gut so, genau das macht die Geschichte auch aus.

Was mich persönlich etwas gestört hat, war das Überraschungsmoment. Es hat zwar grundsätzlich zur Story gepasst. Aber ich persönlich fühlte mich nicht wohl damit. Ich habe mit einem riesigen Peng gerechnet. Doch kurz bevor die Bombe los ging, entschied sie sich ein Blindgänger zu werden und sich einfach auf den Boden plumpsen zu lassen; ohne irgendwelche Spätfolgen. Das war echt schade, dass die Szene so “einfach” aufgelöst wurde. Dadurch brauchte ich auch nicht mehr die restlichen Seiten zum runterkommen, weil ich bereits unten angekommen war. Schade, etwas mehr Drama wäre das i-Tüpfelchen gewesen – wobei das vermutlich aus dem Roman einen Thriller gemacht hätte.

Trotzdem konnte mich diese Geschichte überzeugen, denn das Ende hat ja doch zur restlichen Story gepasst. Es war also nicht nur eine perfekte Cover- und Titelentscheidung zugunsten des Buches. Das Buch beweist auch, dass es spannende deutsche Geschichten in Deutschland gibt, ohne übertrieben an skandinavischen oder amerikanischen Vorbildern entlang zu gleiten, oder mit Kriegsgeschichte aufzuwarten. Das hat mir wirklich sehr gut gefallen. Es sollte mehr solcher Bücher geben. Empfehlenswert!

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