Rezension

Horizonterweiternd

The Upper World – Ein Hauch Zukunft
von Femi Fadugba

Young Adult 'Fantasy', die sich aber irgendwie gar nicht wie Fantasy liest, sondern sehr real anfühlt. Das liegt wahrscheinlich daran, dass der studierte Quantenphysiker Femi Fadugba weiß, wovon er schreibt, wenn er ein verwaistes Mädchen die Relativitätstheorie begreifen lässt. Auch die Art der Zeitreise, die er in 'The Upper World - Ein Hauch von Zukunft' ersinnt, hört sich logisch an. Soweit man dem Erklärten folgen kann, was zugegebenermaßen nicht ganz einfach ist. Zwar gibt es einen Anhang mit mathematischen Gleichungen und Erklärungen, doch auch die sind durchaus anspruchsvoll und nicht ohne weiteres zu schlucken. ABER: das macht nichts! Die rasant erzählte Story um die zwei Teenager Esso und Rhia, deren Geschichten 15 Jahre voneinander getrennt stattfinden, ist so mitreißend und spannend, dass der Leser nicht nur wissen will, welchem gemeinsamen Ziel die zwei Handlungsstränge entgegenstreben, sondern im besten Fall auch, was es denn mit der Wissenschaft dahinter auf sich hat. Und die Gleichungen im Anhang sind dafür im besten Fall ein guter Ausgangspunkt. So erweitert sich nicht nur der Horizont der Protagonisten im Roman, sondern auch der der Leser im wahren Leben, was mich zu dem Fazit führt: ein wirklich inspirierender Roman!

Und darum geht es: Teenager Esso gerät im Süden Londons in einen blutigen Bandenkrieg und stellt darüber hinaus bei einem Autounfall fest, dass es einen Ort gibt, an dem er verschiedene Projektionen seiner Zukunft sehen kann. Kann er das, was er gesehen hat, irgendwie verhindern? 15 Jahre später wundert sich die ohne Eltern groß gewordene Rhia über ihren seltsamen Nachhilfelehrer, der mit ihr über Lichtgeschwindigkeit philosophiert und offenbar ihre Mutter kannte. 

Einstein, Noether - Fadugba wirft mit großen Namen und Theorien um sich und der Leser muss wählen, ob er sich davon erschlagen lässt, oder einfach mitreißen lässt, ohne jedes Detail verstehen zu wollen. Sollte er den zweiten Weg einschlagen, wird er mit einer faszinierenden Story belohnt und erhält viele Inspirationen und die Ahnung einer 'anderen Welt' - sei dies nun die im Roman beschriebene 'Upper World' oder 'nur' die Welt der Formeln. Ich glaube, dass dieses Buch wirklich ein Türöffner sein kann, und einlädt, sich intensiver mit wissenschaftlichen Themen wie Mathematik und der Relativitätstheorie zu befassen. Dabei handelt es sich nämlich keinesfalls um 'alte, weiße(, männliche)' Wissenschaften, wie es vielleicht den Anschein macht. (Und das sage ich als jemand, der selbst aus dem Wissenschaftsbetrieb stammt.) Dass der Autor und die Protagonisten schwarz sind, macht das außerdem auch noch einmal vor dem Hintergrund der aktuellen Diversity-Diskussion deutlich. Damit muss man das Buch allerdings nicht aggressiv bewerben, der Fakt an sich reicht. Wir brauchen einfach mehr Bücher wie dieses von Autoren wie diesem. Kein Romantasy-Kitsch mit unlogischem Unterbau, sondern wissenschaftlich fundierte, inspirierende Lektüre aus der Feder von Menschen, die etwas zu erzählen haben.