Rezension

Eine Geschichte von Schuld, Aufarbeitung und den Verbrechen des Krieges

Fanzi -

Fanzi
von Elisabeth Schmidauer

Bewertet mit 4 Sternen

Astrid und Franzi sind die Protagonisten der zwei Erzählstränge dieses Romans. Astrid arbeitet in der heutigen Zeit in einem Biologiezentrum und ist der Natur sehr verbunden. Franzi, ihr Großvater, lebt als Junge während der Zeit des Zweiten Weltkriegs auf einem Bauernhof. Sein Vater ist durch den Ersten Weltkrieg traumatisiert und sein Verhalten den Kindern gegenüber zeichnet sich durch Strenge aus. Die beiden Brüder müssen als Soldaten kämpfen und verlieren beide ihr Leben an der Front. Ihr Tod reißt die Familie in einen Abgrund, der durch das, was Franzis kleiner Schwester Elfi widerfährt, vertieft wird. Schuld, Trauma und Verlust lasten fortan auf Franzi.

Doch die eigentliche Protagonistin des Romans ist wohl Elfi, die indirekt immer präsent ist, auch im Titel, weil sie Franzis Namen lange Zeit nicht richtig aussprechen kann. Es ist ihre Geschichte, die erzählt wird und die stellvertretend steht für das unbeschreibliche Grauen und für die Unmenschlichlichkeit, die den Zweiten Weltkrieg auszeichnen. 

Die Sinnlosigkeit des Krieges kommt immer wieder zum Ausdruck. So beschreibt ein Bruder den Krieg mit den folgenden Worten: “Das sind Bauern. Die sind wie wir. Die bestellen ihre Felder, machen ihren Wein, die haben Kühe und Schweine und Hühner, die sind genau wie wir. Und wir, wir machen alles kaputt.”

Krieg und Verlust werden in dem Roman auch auf die  Natur übertragen. Das Verschwinden von Arten und der Verlust von Biodiversität werden durch Astrids Erzählstrang parallel gesetzt mit den menschlichen Verlusten während des Weltkriegs. 

Daneben ist die Vergänglichkeit des Menschen im Angesicht der Natur ein Hauptthema des Romans. Doch trotz der Kürze seiner bisherigen Existenz hat er bereits unglaubliches Schrecken und Grauen erschaffen: “Es war die Spezies Mensch nicht viel mehr als ein Wimpernschlag, ein Augenaufschlagen und Staunen und Verlöschen. Die Zeit verflüssigte sich, oder sie stürzte geröllig über sie herein. Ein Wimpernschlag, und doch, und doch und doch und doch.”

Elisabeth Schmidauer schreibt in einer besonderen und poetischen Sprache, die sich durch viele Aufzählungen auszeichnet und die ihren ganz eigenen Rhythmus hat. Jedes Wort ist wohlplatziert und trägt dazu bei, dass die Geschichte sehr bildhaft wirkt und dass eine greifbare und dichte Atmosphäre entsteht. Gleichzeitig ist die Sprache stark geprägt von einem Wortfeld, das mit der Natur, den Pflanzen und Tieren zusammenhängt. Es ist dieses Zusammentreffen von Mensch, Krieg und Natur, die den Roman auf sprachlicher Ebene auszeichnet. Lediglich der Gebrauch von Majuskeln zur Hervorhebung und Betonung von Wörtern stört zuweilen den Lesefluss. 

Schwere, Verletzlichkeit und Zerbrechlichkeit prägen die Geschichte zu gleichen Teilen. Manche Szenen sind dabei sehr berührend, zum Beispiel, wenn die Brüder nicht in den Krieg zurück wollen, aber der Vater sie dazu zwingt und die Geschichte im nächsten Moment die Ankunft des Briefträgers im Gasthaus beschreibt, der der Mutter durch seinen Blick signalisiert, dass die Brüder gefallen sind. 

Schmidauer ist es gelungen, eine Geschichte über die “schwarze Welle der Schuld” zu schreiben, über Tod, Verlust, Krieg und auch über Aufarbeitung. Es ist jedoch insbesondere der Bezug zur Natur, der den Roman herausstechen lässt.