Rezension

Schwieriger Einstieg, aber insgesamt grandioser Jugendthriller

Firekeeper's Daughter
von Angeline Boulley

Bewertet mit 4.5 Sternen

Man kommt schwer ins Buch, aber dann wird man mit einem spannenden Fall sowie einer tollen Prota belohnt & lernt nebenbei noch einiges. 4,5

Vielen lieben Dank an den cbj-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!

Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

 

 

Aufmachung:

Das Cover ist wunderschön! Man sieht zwei Gesichtshälften, die die Flügel eines Schmetterlings vor der aufgehenden Sonne bilden, außerdem abstrahiert jeweils ein Vogel- und Bärenkopf auf jeder Seite und am unteren Bildrand ein Feuer. Das Cover spiegelt so Motive des Inhalts und den Spirit Namen der Protagonistin wider. Ich finde es schön, dass dieses prägnante Cover aus dem Original übernommen wurde, ebenso der Titel „Firekeeper’s Daughter“, der auf den Familiennamen Firekeeper der Hauptfigur wie auf ihren Vornamen Daunis, der übersetzt „Tochter“ bedeutet, anspielt.

 

 

Meine Meinung:

Der Einstieg ins Buch hat meinen positiven Ersteindruck ausgelöst durch das Cover erst einmal gedämpft, ich habe nämlich relativ schlecht ins Buch gefunden.

Das liegt vor allem daran, dass man im Prinzip gar nicht in Daunis‘ Leben eingeführt wird, man wird einfach ins Geschehen geworfen und muss sich erst einmal selbst zurechtfinden. Komplizierter wird das Ganze durch die in den Text eingegliederten Ausdrücke in Anishinaabemowin, der Ojibwe-Sprache, die uns deutschen Lesern natürlich sehr fremd sind. Das Verstehen ist kein Problem, da sich hinten im Buch ein Glossar befindet; selbst wenn sich die verschiedenen Wörter also nicht aus dem Kontext ergeben, was auch oft genug der Fall ist, kann man eben schnell nachschlagen und ist wieder etwas schlauer. Hinzu kommt, dass sich die meisten Ausdrücke und Redewendungen doppeln, sodass man irgendwann weiß, dass bspw. „miigwech“ „Dank“, „kwe“ „Frau“ oder „mashkodewashk“/ „mashkwadewashk“ „Salbei“ bedeutet.

Da darin jedoch, wie gesagt, nicht eingeführt wird, sondern man einfach akzeptieren muss, dass diese Begriffe nicht erklärt werden, ist der Einstieg zunächst kompliziert und gewöhnungsbedürftig.

 

Hinzu kommt, dass es sehr lange dauert, bis der Mord passiert, von dem im Klappentext die Rede ist, der Daunis in die Ermittlungen einführt. Die Autorin lässt sich also viel Zeit damit, die Geschichte zunächst einmal überhaupt in Fahrt zu bringen.

Bis dahin ist das Geschehen sehr langatmig, um nicht zu sagen langweilig. Man muss sich fast schon dazu überreden, weiterzulesen.

 

Irgendwann kommt es jedoch zu dem Punkt, an dem sich die Ereignisse überschlagen, die Ermittlungen spannend werden, und man selbst auch eigene Theorien aufstellt. Ab dann wird das Buch spannend und man kann es nur schwer weglegen.

Vieles ist dabei schon früh absehbar, die Geschichte insgesamt ist sehr vorhersehbar. Das hat mich jedoch gar nicht mal so wirklich gestört; auch wenn ich mir in vielen Teilen schon denken konnte, wo das Buch mich hinführen würde, hatte ich trotzdem viel Spaß beim Lesen und Rätseln. Ich wollte natürlich wissen, ob ich Recht hatte!

Dabei hat es „Firekeeper’s Daughter“ aber auch oft genug geschafft, mich zu überraschen oder mit Plottwists aufzuwarten, mit denen ich nun doch gar nicht gerechnet hätte.

Die Ermittlung ist so strukturiert, dass stets etwas Neues passiert, ohne dass die Geschichte etwa zu überladen oder unrealistisch wirkt; die Handlung folgt einem natürlichen Fluss und ist in sich schlüssig und rund.

 

Das Ende hat mir an diesem Buch sogar mit am besten gefallen, da es zwar einerseits relativ offen ist, vor allem was Daunis betrifft, auf der anderen Seite werden die relevanten Fragen alle zufriedenstellend geklärt und man kann als Leser das Buch mit einem guten Gefühl zuschlagen.

 

 

Der zweite Aspekt, der mich von „Firekeeper’s Daughter“ so überzeugen konnte, ist, dass man praktisch nebenbei unheimlich viel über die Natives, vor allem über die Kultur und Mentalität der Ojibwe lernt, und zwar nicht nur über die Sprache durch die, wie oben bereits angesprochen, in den Text integrierten Wörter in Anishinaabemowin. Vor allem lernt man Vieles über Festtage, die Bräuche der Menschen im Todesfall einer geliebten Person, den Glauben an Schöpfer oder die Lehren der Sieben Großväter. Aber auch die Geschichte der Natives wird angesprochen, wobei in der Handlung mehr auf das Generationentrauma eingegangen wird und der Anhang einen über das geschichtliche Hintergrundwissen aufklärt.

Das ist super interessant und macht das Buch an den Stellen spannend, in denen die Ermittlungen gerade zum Stillstand kommen. Inhaltlich hat die Autorin das Buch hier super aufgeteilt.

 

 

Auch Daunis, die Protagonistin, trägt ihren Teil dazu bei, dass man beim Lesen von „Firekeeper’s Daughter“ viel Spaß hat. Ähnlich wie der Leser wird sie, als sie Zeugin des Mordes wird, quasi ins kalte Wasser geworfen und muss mit den Ermittlungen des FBI klarkommen. Sie muss lernen, dass Vieles, was sie zu wissen glaubte, nicht so ist wie es scheint. Dabei befindet sie sich stets in einem Zwiespalt und muss sich entscheiden, ob sie ihre Gemeinschaft unterstützen möchte, oder dem FBI bei seinen Ermittlungen hilft. Nicht nur Daunis stellt sich im Zuge dessen die Frage, inwieweit das eine dem anderen dienen kann oder ob es sich dabei um zwei Gegensätze handelt, die sich gegenseitig ausschließen.

Dieser Zwiespalt zieht sich im Übrigen durch Daunis‘ ganze Figur: als Tochter einer weißen Frau und eines Ojibwe ist sie Teil zweier Welten, die zu verbinden ihr nicht leichtfallen.

Als Leser begleitet man sie auf diesem Weg und beobachtet, wie sie damit klarkommen muss und an diesen Konflikten wächst. Sie ist bereits zu Beginn eine starke Protagonistin, aber sie schafft es, im Laufe der Handlung noch mehr zu reifen und an Selbstbewusstsein zu gewinnen, auch wenn sie auf dem Weg falsche Entscheidungen trifft und viel einstecken muss.

 

 

Fazit:

Grandioser Jugendthriller über eine junge, starke Protagonisitin, die versucht, ihrer Gemeinschaft zu helfen, indem sie als V-Person für das FBI ermittelt, und das dem Leser ganz nebenbei wunderbar Vieles über Natives und die Kultur der Ojibwe näherbringt. Einige Wendungen sind vorhersehbar, aber trotzdem konnte „Firekeeper’s Daughter“ mich nahezu durchgehend fesseln und vereinzelt sogar überraschen.
Einzig mit dem Einstieg lässt die Autorin sich sehr viel Zeit, daher gibts einen halben Punkt Abzug.

4,5/5 Lesehasen.