Rezension

Prätentiöses Flickwerk

Fischers Frau -

Fischers Frau
von Karin Kalisa

Bewertet mit 2 Sternen

Fischerteppiche? Niemand, den ich kenne, hat je von ihnen gehört, und jeder, der von ihnen hört, googelt sie und ist sofort geflasht. Mir ging es nicht anders.  Insofern hat Kalisa es mit ihrem neuen Roman goldrichtig gemacht. Und rund um das Thema der Teppichknüpferei funktioniert der Roman auch ganz wunderbar. Die Fakten sind bestens recherchiert, die Internationalität und Verwobenheit dieser Welt wird einem vor Augen gestellt. Und so schön, optisch wie haptisch, Kalisa den außergewöhnlichen Fischerteppich beschreibt, der auf dem Schreibtisch ihrer Protagonistin Mia Sund landet, würde man ihn sich am liebsten an die Wand hängen und im Vorbeigehen jedes Mal streicheln. Auch die Vorstellung zweier verflochtener Frauenleben gefiel mir gut. Die Fakten nutzen, um entlang dieses Gerippes ein vergangenes Leben zu rekonstruieren, meinetwegen auch erfinden, und mit einem gegenwärtigen zu verbinden, dadurch Resonanz erzeugen – tolle Sache.

Nur tut Kalisa das nicht. Etwa in der Mitte schneidet sie den Roman in zwei Teile, die notdürftig mit dünnem Faden zusammengehalten werden. Ab diesem Punkt spielen Fakten und Recherche keine Rolle mehr. Kalisas Protagonistin will eigentlich einen Forschungsbericht verfassen; stattdessen beginnt sie völlig unmotiviert, die Geschichte der historischen Frauenfigur als sehr ausführliches Märchen zu fantasieren. Zum Buchtitel passt das, schießt aber über´s Ziel hinaus. Das Ende soll alles zusammenführen, was aber nicht gelingt: Ich habe noch NIE eine schlechtere letzte Seite gelesen.

Kalisas Sprache will literarisch sein und bemüht geschraubte Schachtelsätze, die Mühe haben, den Inhalt rüberzubringen. Auch mit ihren Versuchen, Aphorismen zu schaffen, kam ich nicht zurecht, zum Beispiel: „Nur wenn man irgendwo auch mal stehen bleibt, kann es weitergehen. Sonst geht man einfach.“ Aha. Oder „Nicht Papier ist geduldig, dachte sie, die Zeit selbst ist es.“ Diese Art von Pseudotiefsinn finde ich schwer aushaltbar. Dazu immer wieder Wortspiele wie „…eine bestimmte Schönheit oder eine schöne Bestimmtheit…“ Sowas ist für mich nur Wortgeklingel; ich hatte den Eindruck, Kalisa könne keinem Wortspiel widerstehen, ob es Sinn macht oder nicht. Das Hauptthema des Romans scheint Echtheit und Fälschung zu sein. Die Autorin philosophiert über deren Wesen in langen Sätzen, aus denen ich keine Erkenntnis gewonnen habe.  

Auch die Figurenzeichnung gefiel mir nicht. Sämtlichen Romanfiguren mangelt es an physischer Präsenz und Tiefe. Eine Nebenfigur, die mir aufgrund ihrer Unkonventionalität anfangs gut gefallen hat, entpuppt sich als bloße Stichwortgeberin. Die Probleme der mit traumatischen Erlebnissen belasteten Hauptfigur Mia, die im ersten Drittel des Romans auf sehr verrätselte Weise viel Raum einnehmen, lösen sich im letzten Drittel quasi in Luft auf. Die Liebesromanze, die ab der Hälfte das Hauptthema des Romans und zur Erlösung der Hauptfigur wird, bleibt für mich körperlos, wird bis zur Blutlosigkeit idealisiert. Warum muss „die Liebe“ immer noch die ultimative Rettung weiblicher Figuren sein?

Fazit: Ihren thematischen Glücksgriff hat Kalisa verspielt. Das Ergebnis ist ein prätentiöser, sprachlich ärgerlicher Roman, aus Versatzstücken zusammengeflickt, der für mich kein stimmiges Ganzes ergeben hat.